Life & Style Peter Wittkamp: Warum nur tun wir uns eigentlich eintägige Geschäftsreisen an?

Peter Wittkamp: Warum nur tun wir uns eigentlich eintägige Geschäftsreisen an?

Unser Kolumnist Peter Wittkamp fragt sich: Warum nur tun wir uns eigentlich eintägige GESCHÄFTSREISEN an?

Die Flugreise zu einem Meeting hat einen großen Vorteil: Am Vorabend kann der Reisende den Satz „Für mich nur noch ein kleines Bier: Ich muss morgen früh den Flug nach München erwischen“ fallen lassen. Der „Flug“ kann gerne auch mal zum „Flieger“ oder – da spricht der Profi – zur „Maschine“ werden. Aber „erwischen“ ist wahnsinnig wichtig. Das klingt lässig. So, als ob man das ganz oft macht. Ganz beiläufig. Flieger erwischen. Wobei eigentlich? Egal!

Auf jeden Fall strahlt dieser Satz aus, dass man sein Leben im Griff hat. So wie „Ich muss noch schnell zur Reinigung“ oder „Ab 1 200 Euro monatlich auf die hohe Kante würde ich in internationale Fonds streuen!“.

Sagen Sie das mal zu Ihrer Mutter: „Mutter, ich habe gerade wenig Zeit zu telefonieren, ich muss noch mein Aktiendepot pflegen, danach schnell zur Reinigung und später die Maschine nach München erwischen.“ Da freut die sich und denkt sich, die Presswehen und der Jugendpsychologe waren ja doch nicht ganz umsonst. Außer der Möglichkeit, am Abend Bierbekannte oder am Telefon seine Mutter zu beeindrucken, ist natürlich alles andere an dieser Reise fürchterlich:

Hier die größeren Grausamkeiten im Überblick:

  • Um fünf Uhr aufstehen, um „die Maschine“ nicht zu verpassen.
  • Angst haben, zu spät zu kommen. Also am besten mit dem Taxi zum Flughafen. Zahlt ja die Firma.
  • Bemerken, dass man wie immer zu früh da ist.
  • Außerdem bemerken, dass man die Taxiquittung vergessen hat. Zahlt also eher doch nicht die Firma.
  • Schnelles Frühstück: „Einen Milchkaffee und eine Butterbrezel, bitte!“ „Gerne, macht 87 Euro!“
  • Dann ab zur Sicherheitskontrolle – die einzige Sache auf der Welt, bei der nach „Gürtel ablegen“ nichts Gutes kommt.
  • Gürtel wieder anziehen, Kram aus der Flughafensicherheitskontrollenkiste nehmen und sich ein bisschen entwürdigt fühlen.
  • Egal. Ab zum Boarding. Dabei hoffen, dass ein Star oder wenigstens ein Daily-Soap-Darsteller mitfliegt.
  • Aber Pustekuchen: Nur Menschen, die genauso aussehen wie du selbst: Anzug/Kostüm, Mantel, Laptoptasche und natürlich auffällig bunte Socken, um die Monotonie des Business-Outfits leicht zu brechen. Kein Star. Nicht mal Joko, Klaas oder Cherno Jobatey.
  • Noch einen schnellen Kaffee: „Gerne, macht 15,70 Euro!“
  • Dann die Horrorschleife™: Auf den Flug warten, in einer Schlange stehen, Ticket zeigen, in einer Schlange stehen, in einen Bus einsteigen, auf den letzten Passagier warten, aussteigen, in einer Schlange stehen, um ins Flugzeug zu kommen, in einer Schlange stehen, um zum Platz zu kommen, Sicherheitsbelehrung und dann endlich: Flug.
  • Schließlich Landung und – weil es so schön war – erneut die Horrorschleife™, nur in umgekehrter Reihenfolge.

Der Rest geht dann ganz schnell: Mit dem Taxi (an die Quittung denken!!) zum Termin. „Ach, schön, dass Sie da sind. Haben Sie gut hergefunden?“ Einen Preis für den, der darauf mal „Ich habe schlecht hergefunden und will eigentlich gar nicht hier sein“ antwortet. Dann ab in den Meetingraum „Albert Einstein“ samt Meeting, dessen kompletter Inhalt auch in zwei gut formulierte Mails gepasst hätte. Und dann eben wieder zurück. Der ganze Wahnsinn noch mal, nur ein wenig abgestumpfter. Wie beim zweiten Kind. Taxi, Flughafen, Sicherheitskontrolle, Flug leicht verspätet, Horrorschleife™ vorwärts, Flug, Horrorschleife™ rückwärts, immer noch kein Joko oder Klaas. Zurück nach Hause. Huch, schon halb elf. Ein letzter Blick in die Mails:

„… vielen Dank für den konstruktiven Austausch heute Nachmittag. Wir hätten noch ein paar ganz kleine Änderungen, die wir gerne mit Ihnen besprechen würden. Am besten wieder hier vor Ort bei uns. Da kommen Sie auch mal wieder raus aus dem monotonen Alltag ;-)“

Peter Wittkamp: Der Kreative und freie Autor denkt sich Gags für die „Heute-Show online“ aus. Außerdem betextet er die Social-Media-Kanäle der BVG. Auch lustig: Wittkamps Tweets unter @diktator.

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