Leadership & Karriere Die Linke und die digitalen Raubritter

Die Linke und die digitalen Raubritter

Exklusiv: Der Business Punk fand im Netz eine Magazinraubseite – und die ist randvoll mit digitalen Anzeigen von großen Brands. Darunter ist auch die Partei Die Linke.

Liebe Partei „Die Linke“ in Brandenburg: Ihr werbt gerade sehr munter auf einer illegalen pdf-Magazin-Downloadseite im Netz für die Wahl am kommenden Sonntag. Die Homepage nennt sich „freemagazines.top“. Dort schauen die Besucher heute Euren Kandidaten Sebastian Walter an, neben ihm blickt Gregor Gysi irgendwie aufgeweckt und grimmig drein. Weshalb macht Ihr das, und ist dies auch Janine Wissler, Eurer Bundesparteivorsitzenden, bekannt? Und was sagt Wisslers Kompagnon Martin Schirdewan wohl dazu?

Es könnte sehr knapp werden

Hintergrund: Zehn Sitze hat die Partei „Die Linke“ heute im Brandenburger Parlament. Fraglich ist, ob sie bei der Wahl am 22. September im Landtag bleibt – oder an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Im September 2019 gewann man im Bundesland noch 10,7 Prozent der Stimmen, was einem Rückgang von 7,9 Prozent mit Blick auf die Wahl 2014 ergab. Und wir verstehen, dass man sich da an den allerletzten Strohhalm klammert, aber seriöse Parteiwerbung auf einer illegalen pdf-Magazin-Downloadseite wie „freemagazines.top“? Muss das sein? Schämt man sich dafür nicht? Eine Presseanfrage dazu beantwortete „Die Linke“ am Freitag zunächst nicht.

Einfach mal downloaden 

Klauen rauben oder abziehen: Der deutsche Wortschatz kennt viele Synonyme für den Diebstahl. Und wir wissen alle: Den Printmagazinen geht es nicht gut, deren goldene Zeiten – mit einer Auflage wie beim stern von 1,7 Millionen Exemplaren wie in den 1970er-Jahren – wird es nie wieder geben. Dafür ist die Medienlandschaft heute viel zu voll. TikTok, Insta, Tausende Radiostation, Streaming-Abo-Anbieter – alle buhlen um unsere Aufmerksamkeit.  

Gratiskultur 

Bei „freemagazines.top“ stehen sie plötzlich da, die Vorreiter der freien Presse, alle fein säuberlich nebeneinander für den Download bereit. Draufgeklickt, ein mitteldoofes Captcha erledigt, eine Minute gewartet – und schon landet die teure Arbeit von Journalisten, Fotografen und Grafikdesignern auf dem eigenen Tablett oder Smartphone. Nur wie kann das sein? 145 Anzeigentechnologie-Anbieter und sage und schreibe 63 Werbepartner nutzen die Webseite für ihre PR.  

Viele große Brands vertreten  

Denn es sind, als kleiner Auszug, die AOK Nordost, Höffner, Brax, KLM, Douglas, G-Star, Pandora, Hilton, Dyson, Fossil, Decathlon, Robinson, die Deutsche Bahn, Sony und viele andere Topmarken und Firmen, die dort per Anzeige werben. Beispiel: Klickt man auf die Höffnerwerbung im unteren Banner, so landet man auf der Webpage der honorigen Möbelfirma. Mit Verlaub: Sind denn diese Firmen alle komplett irre? Oder wissen sie nichts von diesem Treiben? Klickt man sich auf der Seite „freemagazines.top“ durchs „follow us“, landet man bei medium.com, einer eigentlich honorigen Seite. Dort heißt es ganz unverblümt: „Hallo, liebe Zeitschriftenliebhaber! Seid ihr es leid, viel Geld für eure Lieblingszeitschriften auszugeben? Dann habt ihr Glück, denn ich verrate euch jetzt, wie ihr diese glänzenden Seiten ergattern könnt, ohne einen Cent auszugeben. Das stimmt – wir reden hier von kostenlosen Zeitschriften, Leute! Also schnappt euch eine Tasse Kaffee, lehnt euch zurück und lasst uns in die Welt des kostenlosen Lesens eintauchen.“  

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Schmerzfreie Erklärung 

Die Seitenbetreiber sagen über sich: „Wir sind der Meinung, dass gute Lektüre für jedermann zugänglich sein sollte. Deshalb haben wir eine digitale Magazinsammlung zusammengestellt.“ Fast schon zynisch heißt es dann: „Wir wissen, wie wichtig es ist, informiert und unterhalten zu werden, ohne sich mit einem herkömmlichen Abonnement herumzuschlagen. Deshalb bieten wir kostenlose E-Magazine an, die Sie mit nur wenigen Klicks herunterladen können.“ Und weiter: „Unsere Plattform ist so konzipiert, dass Sie Zeitschriften ganz simpel herunterladen können. Wir bieten Ihnen kostenlose PDF-Magazine, die Sie auf jedem Gerät zu jeder Zeit und überall genießen können. Keine versteckten Gebühren, keine Bedingungen – nur eine einfache, bequeme Möglichkeit, sich über die neuesten Trends und Nachrichten zu informieren.“ 

Illegales Treiben  

Wie frech kann man sein? Schaut man sich bei „freemagazines.top“ weiter um, heißt es dort auch: „Wir arbeiten in Übereinstimmung mit dem Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Es gehört zu unseren Grundsätzen, auf alle Mitteilungen über Rechtsverletzungen zu reagieren und geeignete Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums zu ergreifen. Wenn Ihr urheberrechtlich geschütztes Material veröffentlicht wurde und Sie möchten, dass dieses Material entfernt wird, nur: Bitte kontaktieren Sie uns per E-Mail, wir werden es löschen, sobald wir die Benachrichtigung erhalten. Bitte rechnen Sie mit 1-2 Werktagen für eine E-Mail-Antwort.“ 

Verrückte Welt

Noch mal von vorn: Die Webseite lebt augenscheinlich von vielen Großkunden aka deren Werbung. Und betroffene Verlage müssen sich wieder und wieder per E-Mail an diese digitalen Raubritter wenden, damit jene dann die beanstandeten Magazin löschen? In was für einer Welt leben wir eigentlich und wollen die Menschen eine Partei wie „Die Linke“ wählen, die im Netz – augenscheinlich ohne Fehl und Tadel – ihre Parteiwerbung auf einer digitalen Raubseite schaltet?  

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