Leadership & Karriere Harris vs. Trump: 11 Schlüsselmomente der hitzigen Debatte

Harris vs. Trump: 11 Schlüsselmomente der hitzigen Debatte

Die Vizepräsidentin und der Ex-Präsident ritten harsche Attacken, bezichtigten sich wechselseitig der Lügen und schenkten sich nichts im Studio. Es gab einige Überraschungen – und wichtige Aufschlüsse über den weiteren Wahlkampf.

Mehr als 90 Minuten lieferten sich die Vizepräsidentin und der Ex-Präsident einen oft heftigen Schlagabtausch. Beide bezichtigten sich der Lügen, beide ließen erkennen, wo sie ihre wichtigsten Themen sehen, beide gingen oft großzügig mit den Fakten um.

Doch auch nach der TV-Debatte zwischen Donald Trump und Kamala Harris, übertragen aus dem ABC-News-Studio in Philadelphia und entspannt moderiert von den Journalisten David Muir und Linsey Davis, bleibt der Wahlkampf offen. In den Umfragen führt gegenwärtig Harris knapp, die allerjüngste US-weite Umfrage gewann allerdings Trump.

Dies sind die elf wichtigsten Schlussfolgerungen:

Elf Schlussfolgerungen 

  1. GESAMTEINDRUCK: Die 59-jährige Vizepräsidentin, die sich bis auf ein eher belangloses Fernseh-Interview als neue Präsidentschaftskandidatin bislang dem Scheinwerferlicht medialer Streitgespräche entzogen hatte, ist vollkommen Debatten-tauglich. Sie lässt sich auch vor der gelegentlich überschäumenden Wut eines Donald Trump nicht einschüchtern und beherrscht den harten Kampf mit dem schweren Säbel so wie die überraschenden Attacken mit dem Degen. Die Sensation: Der Dauer-Attackierer Trump sah sich über weite Strecken in die Defensive gezwungen und musste sich verteidigen gegen die vielfältigen Angriffe von Harris.
  2. ALTERSFRAGEN: Der 78-jährige Ex-Präsident, der nach dem Ausstieg des 82-jährigen, mental und physisch schwächelnden Joe Biden formal in die Rolle des „Alten“ gewechselt war, lässt keinerlei Anzeichen von nachlassender Kraft erkennen. Er trat im Prinzip nicht anders auf als vor vier Jahren, und wenn er sich gelegentlich in Wortgirlanden verlor und zu gänzlich anderen Themen abdriftete, etwa vom Sturm auf das Kapitol zu seinem Dauervorwurf, die Biden-Harris-Regierung lasse Millionen Illegaler ins Land, darunter viele Kriminelle, dürfte das kalkuliert sein.
  3. DAUERLÄCHELN vs. BULLTERRIER-BLICK: Harris versucht mit ihrer frischen Art und einem ständigen Lächeln, das mitunter allerdings auch überheblich wirkt, einen optimistischen Zukunftston zu setzen. Sie verspricht Steuererleichterungen für junge Familien, für erstmalige Eltern, für jene, die sich den amerikanischen Traum in Form der ersten eigenen vier Wände erfüllen wollen.
    Trump, der vor allem bis zur ersten Werbeunterbrechung das freudlose Gesicht eines Bullterriers zur Schau trug (und dann vielleicht von Beratern ermahnt wurde, weniger sauertöpfisch zu blicken, jedenfalls wirkte er danach entspannter), setzt auf aggressiven Pessimismus für den Fall, dass Harris gewählt werde. Dann drohten höhere Konsumentenpreise, mehr Inflation, weitere Millionen an illegalen Zuwanderern und darüber hinaus der dritte Weltkrieg, inklusive Atomwaffen.
  4. LÜGEN: Beide schenkten sich nichts, beide warfen sich permanent Lügen vor. Teilweise berechtigt. So sagte Harris, Trump habe die schlimmste Arbeitslosigkeit der Geschichte verursacht, was dieser energisch bestritt. Tatsächlich lag die Arbeitslosigkeit im April 2020 bei 14.8 Prozent und damit auf dem höchsten Wert seit der großen Depression. Aber das waren die Folgen von Corona, und als Trump im Januar 2021 das Weiße Haus verließ, war die Ziffer auf 6,9 Prozent gesunken – das ist hoch, aber unter Barack Obama im Oktober 2009 betrug sie gar 10 Prozent, damals verursacht durch die Weltfinanzkrise. Im Durchschnitt waren die Arbeitslosenzahlen unter Trump (3,5 Prozent) wie Biden (3,4 Prozent) ähnlich niedrig.
    Eine von Trumps zahlreichen Lügen: In Springfield (Ohio) würden Migranten (sie kommen dort hauptsächlich aus Haiti) die Haustiere der Amerikaner stehlen, schlachten und essen. Entsprechende Gerüchte wurden in den sozialen Netzwerken verbreitet. Doch der Bürgermeister von Springfield hat dies als falsch zurückgewiesen und auch Trump-freundliche Medien bis hin zu Fox News haben derartige Vorfälle nicht dokumentieren können – obwohl Trump in der Debatte versicherte, er habe entsprechende Bürger im Fernsehen gesehen, die solche Fälle geschildert hätten.
  5. ABTREIBUNG: Ein wichtiges Thema wird die Abtreibung. Darauf setzen vor allem die Demokraten. Aber Harris verbiegt die Wahrheit, wenn sie behauptet, Trump wolle Schwangerschaftsabbrüche US-weit verbieten. Der Ex-Präsident widersprach energisch und behauptete, Harris wolle Babys auch im siebten, achten oder neunten Monat abtreiben oder gar „nach der Geburt exekutieren“ lassen. Hingegen zeigte er sich zufrieden, dass durch seine Auswahl konservativer Richter für den Supreme Court eine Mehrheit dort die verfassungsmäßige Garantie widerrufen habe, wodurch die Entscheidung nunmehr bei den einzelnen Bundesstaaten liege, wie es seit 52 Jahre gefordert worden sei. Dabei wolle er es belassen.
    ACHTUNG: Hier ist Trump möglicherweise in eine Falle getappt. Denn konservative evangelikale Kreise erwarten von ihm ein grundsätzliches Abtreibungsverbot – und in dieser Sendung musste er mindestens zweimal explizit versichern, dass er dies auf Bundesebene nicht plane.
  6. MIGRATION: Das große Thema der Republikaner bleibt die illegale Migration. Bei allen möglichen Fragen lenkte Trump darum zu den massiven Problemen an der Grenze zu Mexiko und attackierte Harris, weil sie von Biden für die Grenz-Sicherheit verantwortlich gemacht worden sei. Harris konterte, Trump habe Anfang 2024 durch intensive Telefonate mit republikanischen Senatoren eine Mehrheit für ein überparteiliches 20-Milliarden-Dollar-Gesetz verhindert, das zusätzliche Grenzschützer, den Ausbau der Grenzbefestigung und in letzter Instanz eine mögliche Grenzschließung ermöglicht hätte. Das ist wahr, Trump selbst hat im Februar vor Spendern in Las Vegas geprahlt, er habe dieses Gesetz gekillt.
  7. ÖKONOMIE: Das zweite Mega-Argument der Republikaner für einen Machtwechsel ist die Wirtschaft. Ihnen wird dort die deutlich höhere Kompetenz zugeschrieben. So verspricht Trump neue Strafzölle gegen China, aber auch gegen Europa, um den eigenen Automobilmarkt zu schützen. Allerdings lief die Wirtschaft nach großen Anfangsproblemen mit der Inflation unter Biden-Harris recht gut. Die letzten Daten vom Arbeitsmarkt im Juli und August waren hingegen enttäuschend und blieben unter den Erwartungen. Sollte die Entwicklung so weiter gehen, wird das ein Problem für Harris.
  8. AUSSENPOLITIK: Da attackierten sich beide gegenseitig. Trump machte Harris mitverantwortlich für den beschämenden Abzug der USA aus Afghanistan. Harris zeichnete Trump als Bewunderer von Putin und Freund von Diktatoren, und am liebsten wäre er selbst einer. Er wiederum erinnerte, dass Putin vorige Woche sagte, er hoffe auf einen Wahlsieg von Harris. Ob der russische Präsident das wohl wirklich meinte? Harris sagte, sie stehe zur amerikanischen Unterstützung für die Ukraine – Trump sagte, im US-Interesse liege vor allem eine rasche Beendigung des Krieges. Welchen Preis er dafür Kiew abverlangen würde, verriet er nicht. Im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg behauptete Trump, Harris „hasst Israel“, und zwei Sätze weiter, zugleich hasse sie aber auch „die Araber“. Das sind so die Ausraster von Trump, die wahrscheinlich nicht einmal seine überzeugtesten Anhänger glauben.
  9. ÜBERRASCHUNGSEFFEKT: Da gewann Harris das Duell. Als beide Kandidaten kurz nach 21 Uhr Ortszeit aus verschiedenen Eingängen die Debattenarena im ABC-Studio in Philadelphia betraten, ging die Vizepräsidentin auf den Ex-Präsidenten zu, weit in seinen Bereich hinein, streckt ihm die Hand entgegen und stellte sich für dieses erste persönliche Zusammentreffen vor: „Kamala Harris!“ Ihm blieb nichts anderes übrig als die Hand zu schütteln und etwas Unverständliches zu erwidern.
  10. GESTOHLENE WAHL: Hatte Trump zuletzt überraschend davon gesprochen, dass er 2020 „um Haaresbreite“ gegen Biden verloren habe, kehrte er jetzt zurück zu seiner alten Legende, man habe ihm die Wahl durch Manipulation gestohlen – obwohl 60 Gerichte sich damit befasst haben und keinen Beleg für den massiven Vorwurf fanden.
  11. AUSBLICK: Nichts ist entschieden. Trump hat in der Debatte nicht die Kontrolle verloren, aber erst recht nicht seinen vom Boxer Mike Tyson stammenden Plan für einen K.O.-Treffer umsetzen können: „Jeder hat eine Strategie, bis er am Kopf getroffen wird.“ Harris hat sich nicht als unterlegen erwiesen, anders als Joe Biden in seinem Duell im Juni mit Trump, wonach ihn seine Parteifreunde bis hin zu Barack Obama und Bill Clinton energisch (und letztlich erfolgreich) zum Rückzug drängten. Ob es eine zweite Debatte zwischen Harris und Trump geben wird, ist noch nicht entschieden. Hingegen werden sich die „running mates“ von Harris, Tim Walz, und von Trump, J.D. Vance, am 1. Oktober im Sender CBS duellieren.

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