Life & Style Die Schöffin: Das alles für Geld?

Die Schöffin: Das alles für Geld?

Ein Prozess irgendwo in Deutschland. Ich bin Luise. Als Schöffin eingeteilt. Zum ersten Mal sitze ich in einem Strafprozess. Ein Griff ins nackte Leben – und Überleben. Ich bin ahnungslos und erschüttert. Das ist mein Protokoll. Heute: Das Opfer.

Am vierten Verhandlungstag: Wie immer reges Treiben auf den Fluren des Gerichtsgebäudes. Mir begegnen angespannte, traurige, erwartungsvolle Gesichter – alles dabei. Im Beraterzimmer reiße ich das Fenster auf, die Luft riecht abgestanden, mehrere Tage alt. Gedanken sammeln. Es geht los: Wieder denke ich beim Betreten der Empore: Es ist und bleibt krass, das Aufstehen! Blicke heute in betont unbeteiligte Gesichter. Pokerfaces. Es sind immer noch Puzzleteile, die sich mir hoffentlich bald zu einem ganzen Bild zusammenfügen werden. Aber das soll ja so – für mich als ‚Normalo-Richterin‘. Die Angeklagten sehen jedenfalls wieder völlig ungerührt aus. Nach außen.

Heute kommt endlich die Befragung des Opfers. Ich möchte die Tragweite verstehen, sie sehen. Lege meine Tischfläche wieder mit Papier aus, um nicht kleben zu bleiben. Eine sehr hübsche blonde, sehr junge Frau mit langen Haaren, sorgfältig geschminkt und gepflegt, betritt den Saal in Begleitung einer Therapeutin. Sie wirkt schüchtern, verschreckt und total ängstlich. Behält ihre Jacke an, als verstecke sie sich.

Die vier Angeklagten spielen wieder das „Wer kann dem Blick länger standhalten-Spiel“. Ich gewinne viermal! Auch das Opfer blickt uns vier „Richter“ immer wieder an, kurz nur. Ab und zu kann ich ihren Blick auffangen und versuche, in ihrem Gesicht zu lesen: Sie wird belehrt als Zeugin. Und es geht los. Die Befragung erfordert Geduld. Ich hätte die so nicht.

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