Green & Sustainability Upcycling: Das Startup Moot macht aus Stoffresten neue Fashion-Items

Upcycling: Das Startup Moot macht aus Stoffresten neue Fashion-Items

Am Berliner Ostbahnhof im Bezirk Friedrichshain tummeln sich täglich über 100.000 Reisende. Mitten im Bahnhofsgebäude zwischen einer Apotheke und einem Friseursalon liegt ein Concept-Store. T-Shirts, Pullis, Jacken, Bauchtaschen, das alles befestigt an Wasserrohren und Bauzäunen. Alle Produkte stammen von Moot – und das Akronym steht für „Made out of Trash“. Wobei die beiden Gründer von Moot in der deutschen Übersetzung nicht so gerne von Müll sprechen.

Denn Michael Pfeifer und Nils Neubauer schaffen aus gebrauchten Stoffen wie Bettwäsche, Decken und Autogurten neue Kleidung. Stoffe, die entsorgt wurden, aber noch brauchbar sind. Der überschaubare Laden im Ostbahnhof nennt sich auch Concept-Store, weil dort nicht nur Kleidung verkauft wird, sondern die Gründer auch über die Textilindustrie, Kleiderspenden und über ihre eigene Produktion aufklären.

Pfeifer und Neubauer sind langjährige Freunde. Pfeifer gelernter Betriebswirt, Neubauer ausgebildeter Modedesigner. Beste Voraussetzungen für ein gemeinsames Fashion-Startup – was 2020 auch passiert ist.

In seiner Ausbildung zum Designer habe Neubauer schnell gemerkt, dass er etwas anders machen will. „Ich wollte keine neuen Textilien für meine Mode verwenden, also habe ich nach Alternativen gesucht“, sagt er. „Und ich wollte möglichst viele Menschen erreichen.“ Und das alles bitte schön mit Buddy Pfeifer, der die Idee mit BWL-Kenntnissen ergänzte.

Flughafenhallen voll mit Textilien

In der Mitte des Ladens ein Haufen an Kleidung, zusammengeschweißt und gestapelt. „Dieser Turm entspricht zwei Prozent der Kleidung, die täglich bei einem unserer Altkleiderpartner, der Deutschen Kleiderstiftung, sortiert wird“, sagt Pfeifer. Der Kleiderturm soll veranschaulichen, wie unglaublich viel Mode die Menschen doch kaufen – und wie viel davon hinterher im Altkleidercontainer landet. „Das sind gigantische Mengen. Ganze Flughafenhallen voll mit Textilien“, sagt Pfeifer.

Moot hat sich die Mission auferlegt, so viel wie möglich von diesen Textilien anzunehmen, um daraus Kleidung zu machen. Upcycling heißt das mittlerweile viel beschriebene Phänomen. Im Gegensatz zur anderen Form des Recyclings, dem Downcycling, werden die verbrauchten Stoffe wieder aufgewertet und bekommen einen neuen Lebenszyklus.

Zum Vergleich: Wird ein alter Pullover geschreddert und daraus ein Putzlappen gemacht, werden die Materialien zwar wiederverwendet, allerdings hat der Putzlappen einen kürzeren Lebenszyklus als der Pullover. Macht man aus einer alten Wolldecke hingegen eine Jacke, wird der Lebenszyklus verlängert. Upcycling findet derzeit noch vor allem in der interessierten Avantgarde statt. Sprich: bei Designermarken, auf großen Laufstegen und in der Kunst.

„Ich wollte immer möglichst wenig Müll produzieren. Das war für mich eine Möglichkeit, um Textilien, die schon auf dem Weg zur Verbrennung waren, zu retten und etwas Neues daraus zu machen“, sagt Neubauer. In der Anfangsphase der Gründung hatte Pfeifer noch einen anderen Job. „Wir mussten ja von irgendetwas leben“, sagt er.

Gestartet sind die beiden mit T-Shirts aus Bettwäsche an einer einzigen Kleiderstange. In einer Crowdfunding-Kampagne konnten sie Ende 2020 dann erstmals Geld einsammeln: 10.000 Euro. Ende 2021 eröffneten die Gründer im Rahmen eines Startup-Förderprogramms der Deutschen Bahn den Laden am Ostbahnhof. Im April 2022 folgte der offizielle Launch ihres Onlineshops.

Heinersdorf statt Südostasien

Die T-Shirts sind in Pastellfarben gehalten, die Bauchtaschen schwarz, die Jacken in karierten Rottönen. Jedes Teil ein Unikat. Ihr Laden am Berliner Ostbahnhof lebt auch von neugieriger Laufkundschaft: Durch die vielen Hotels und jungen Touri-Hotspots in unmittelbarer Nähe kämen viele Leute vorbei.

Die Stoffe selber bekommt Moot von verschiedenen Anbietern geliefert, darunter die Deutschen Kleiderstiftung und die Berliner Stadtmission. Bettwäsche, Wolldecken, Sofakissen, Bezüge, Lederjacken, Sicherheitsgurte – all das stapelt sich im Lager von Moot in Neukölln. Dort wird alles dann auch noch mal feiner sortiert und einmal gereinigt.

Dann geht es für die Herstellung nicht nach Südostasien, wie es für viele Fastfashion-Retailer üblich ist, sondern nach Heinersdorf, Bezirk Pankow. „Dadurch sind wir auch total flexibel und können unsere Produktionsmengen einfach anpassen“, sagt Pfeifer.

Die Preise für die Kleidungsstücke schlüsselt Moot auf seiner Homepage auf. Genau wie an den Wänden im Concept-Store soll auch auf der Website alles möglichst transparent gemacht werden. Ein T-Shirt kostet im Onlineshop 49 Euro. Für die Gründer ein fairer Preis, weil die Produktion zu fairen Bedingungen vonstatten geht.

„Dass 15 Euro für ein T-Shirt handelsüblich sind, ist das eigentliche Dilemma“, sagt Pfeifer. Der Preis funktioniere nur, weil viele soziale und ökologische Faktoren ausgeklammert würden. Nachhaltigkeit ist jedenfalls nicht eingepreist: „T-Shirts werden bewusst so produziert, dass sie nur eine Saison halten“, sagt Neubauer.

Mittlerweile arbeitet Moot auch mit anderen Unternehmen zusammen, die Arbeitskleidung loswerden wollen. Seien es T-Shirts mit Logos, die sonst keine Verwendung mehr finden, oder Produkte, die einfach zu viel bestellt wurden.

„Upcycling soll und muss massentauglich werden“, sagt Pfeifer. „Und wir sind gerade das einzige Unternehmen, das Upcycling in so einer Skalierung vorantreibt“, sagt Neubauer. 17 Menschen arbeiten aktuell bei Moot.

Im Juni eröffnete dann auch bereits der zweite Laden: im Bezirk Prenzlauer Berg. Glaubt man den alten Stereotypen, sollte das Prinzip Upcycling dort bei den Lastenradfahrerinnen und Besserverdienern ein ziemlich sicheres Heimspiel haben.

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