Productivity & New Work Lea-Sophie Cramer: „Ich bin nicht stolz darauf, dass ich mich so überarbeitet habe”

Lea-Sophie Cramer: „Ich bin nicht stolz darauf, dass ich mich so überarbeitet habe”

von Janna Linke und Nicole Plich

Mit Amorelie hat Lea-Sophie Cramer es geschafft: die Sex-Tech-Branche auf den Kopf zu stellen, den Fokus auf die weibliche Lust und Gesundheit zu lenken und aus einem Startup ein großes Unternehmen zu machen. Aber: Amorelie hat auch Cramer geschafft. 

Was viele zur Hochzeit des Erfolgs von Amorelie nicht gesehen haben, war die Überarbeitung von Cramer, die das Wachstum des Startups mit sich brachte. Nachtschichten, Resilienz und Verzweiflung: Auch das gehört zum Gründen dazu, wird jedoch nicht oft zugegeben. „Unternehmertum ist ein Leistungssport“, sagt Cramer im Podcast „How To Hack“ von Business Punk. 

An einem Tag hielt die Gründerin eine Keynote vor dreitausend Menschen, am nächsten befand sie sich in der Tagesklinik. Diagnose: Erschöpfungsdepression. In der Kunsttherapie malte Cramer die Umsatzkurve von Amorelie. Das war das Erste und Einzige, was ihr einfiel. Das war 2018.

In einem Linkedin-Post im Juni sprach Cramer das Thema öffentlich an. Sie schreibt darin, sie habe sich „entgleist“ gefühlt. Der Post bekam mehr als 25.000 Reaktionen. Die Zahl der Menschen, die von Burnout betroffen sind, lag 2020 allein unter den gesetzlich Krankenversicherten bei rund 180.000, mit kulminierten 4,5 Millionen Krankheitstagen. Das zeigen Zahlen von Statista. Vor allem Berufsgruppen mit hoher sozialer Interaktion sind von Burn-out-Erkrankungen betroffen. Nach Schätzungen von Asklepios und des Manager Magazins könnten bis zu acht Prozent der Mitarbeiter großer DAX-Unternehmen von Burn-out-Erkrankungen betroffen sein.

„Nach außen wirkte ich sehr aktiv und performant. Das war ich auch, aber es gab auch die andere Seite, die man nicht gesehen hat”, sagt Cramer. 

Sie war kraftvoll und energetisch während der Arbeit, privat vergaß sie Termine, Namen von Bekannten und fühlte Trauer. Beides war echt. Beides gehörte zu ihr. Sie machte anderen nichts vor. „Mentale Krankheiten dürfen nicht glorifiziert werden. Sie sind kein Prädikat. Ich bin nicht stolz darauf, dass ich mich so überarbeitet habe“, sagt Cramer. 

Nach der Diagnose stellte Cramer ihr Leben um: Sie gab ihren Job bei Amorelie auf und lies sich in der Tagesklinik behandeln. 

Auch wenn sie diese Episode überwunden hat, muss die Gründerin weiterhin auf ihren Körper hören und aufmerksam sein, wann wieder alles zu viel wird. Ihre Warnsignale kenne sie mittlerweile. „Es fängt an, dass ich anderen erzähle, dass ‘alles momentan viel ist, aber machbar’. Die nächste Stufe ist, dass ich sage, dass ich meinen Aufgaben nicht mehr hinterherkomme und das absolute Alarmsignal für mich ist, wenn mir nichts mehr Energie gibt”, sagt Cramer. 

Burnout oder Erschöpfungsdepression? Cramer spricht lieber von dem Wort Erschöpfungsdepression. „Ich mag es nicht, dass wir eine Überarbeiter-Kultur feiern”, sagt sie. „Deswegen nenne ich es beim unschönen Namen, weil der Angst macht. Das ist auch das Gefühl, das man bei der Erkrankung hat: Angst.“

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