Innovation & Future Wie das Hockurinal „Missoir“ das Grundbedürfnis Pinkeln gerechter machen soll

Wie das Hockurinal „Missoir“ das Grundbedürfnis Pinkeln gerechter machen soll

Auf dem Klo sind alle Menschen gleich? Von wegen. Das Hockurinal Missoir von Gründerin Lena Olvedi soll einen Missstand ändern.

Ein grauer Dezembermorgen in Berlin. In der Nähe des Hermannplatzes im Herzen Neuköllns liegt die Hasenheide. Ein eigentlich beliebter Park, der aber dank des tristen Winterwetters wie leer gefegt wirkt: die Bäume kahl, die Wiese matschig. An einem Weg, der mitten durch die Hasenheide führt, eine öffentliche Toilette.

Hinter der Sanitäranlage, die einer Gartenhütte aus Holz ähnelt, steckt das Unternehmen Ecotoiletten, ein Anbieter nachhaltiger Sanitätsversorgung im öffentlichen Raum. Das Besondere an diesem Klo ist, dass weder Wasser noch Chemie verwendet und verschwendet werden. Außerdem ist die Toilette geruchlos.

Die Toilette in der Hasenheide besteht aus drei Kabinen. Die eine für Menschen mit Behinderung, die andere ein Stehurinal – eben das Pissoir, das jeder Mensch kennt, der im Stehen pinkeln kann. Und die dritte Kabine? Die ist der wohl ungewöhnlichste Teil dieser Sanitäranlage: das „Missoir“, wie es auch auf der Tür steht und per Wortspiel die Aufgabe erklärt.

Foto: Missoir

Hinter der Tür verbirgt sich ein Hockurinal – für diejenigen, die nicht im Stehen pinkeln können. Es nimmt ebenso wenig Platz ein wie das Pissoir, riecht neutral und scheint sauber. Auf dem Boden ein Abfluss, ähnlich wie in der Dusche. An den Seiten zwei Haltestangen, ein Spritzschutz, etwas Klopapier, ein Fach, um es zu entsorgen, ein Desinfektionsspender sowie ein Kleiderhaken an der Wand.

Mehr Missoirs, bitte

„Für uns Frauen ist die Hocke aus anatomischer Sicht die natürlichste Haltung zum Pinkeln. Deshalb ist Missoir ein Hockurinal, das in den Boden eingelassen ist“, sagt Lena Olvedi, die Erfinderin des Missoirs. Die Geschichte hinter ihrem Hockurinal ist persönlich – und doch für alle relevant.

Gründerin Lena Olvedi. Foto: privat

Denn eines Abends kam Olvedi die Idee, als sie in einem Berliner Club in der Schlange vor der Damentoilette stand – mal wieder für kurz pullern ewig in der Schlange stehen. Ein Freund von ihr hingegen lief geradewegs an der Schlange vorbei. Klar, er kann eben ein Pissoir nutzen und hat damit zwei Möglichkeiten, sich zu erleichtern.

Selten gesehenes Phänomen: die Schlange vor der Männertoilette. „Ich fragte mich: Warum hat er eigentlich zwei Optionen und ich nicht?“, sagt Olvedi. Ein Problem, das sie schon ihr ganzes Leben lang begleitet, ist ihr in diesem Moment wieder richtig bewusst geworden.

Olvedi, die zu der Zeit noch beim Fernsehen arbeitete, entwarf daraufhin ihr erstes Urinal für Frauen. 2018 kam es das erste Mal zum Einsatz, auf einem Festival von Freund:innen. Die Reaktionen waren durchweg positiv. Also stürzte Olvedi sich in die Recherchen, warum sich bis dato noch kein Frauenurinal auf dem Markt durchsetzen konnte.

Der erste Prototyp stand 2019

Sie meldete Patent für ihr Missoir an. Der erste richtige Prototyp stand 2019. „Ich habe drei Tage lang Pipi in den Augen gehabt, so gut war das Feedback“, sagt Olvedi heute. (Und einem wird damit auch bewusst, dass die Gründerin nicht an Wortspielen spart.)

Aus einem Herzensprojekt wurde das erste eigene Business, für das 2020 in einer Crowdfunding-Runde das erste Mal Geld zusammenkam. Das mobile Missoir konnte also gebaut werden. Die eigentliche Gründung lief jedoch nicht ganz ohne Hindernisse ab. Zum einen traf wie viele andere auch Olvedi die Pandemie. Festivals – die erste Bühne der Missoirs – waren lahmgelegt, Veranstaltungen wurden abgesagt.

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