Innovation & Future Bei diesem Mann könnt ihr einmal Digitalisierung mit alles bestellen

Bei diesem Mann könnt ihr einmal Digitalisierung mit alles bestellen

Digitalisierung von der Salatbar: Die Macher hinter Protofy versprechen für wirklich jede Branche Einsen-und-Nullen-as-a-Service.

Es klingt wie eine Scherzfrage, ist aber keine: Was haben Digitalisierung und eine Schüssel Salat miteinander gemeinsam? Die Antwort: Salat. Das jedenfalls sagt Moritz Mann, Gründer von Protofy. Denn Salat sei ein analoges Produkt (offensichtlich!), das man digital an den Mann bringen kann (auch offensichtlich).

Mann ist der Gründer von Protofy, einer Agentur aus Hamburg, die in ihrer Google-Ad ganz banal „Agentur für App- und Web-Entwicklung“ stehen hat. Doch er und sein Team haben nicht weniger im Angebot als ein Rezept, das es beinahe allen Unternehmen erlaubt, den eigenen Laden nach Schema F zu digitalisieren.

Und da kommt wieder der Salat ins Spiel: Denn Moritz Mann hat nicht nur Protofy gegründet, sondern auch den Lieferdienst Stadtsalat. Und ohne Stadtsalat kein Protofy – und auch keine Digitalisierung nach Schema F.

Mann folgt dem großen Mantra, dass es nichts bringt, lange in hermetisch abgeriegelten Räumen an Produkten vor sich hin zu werkeln: „Ein Unternehmen braucht schnell eine Version, die es in die Hand nehmen, die man an seiner Zielgruppe testen kann“, sagt er. Nur so kann man Feedback sammeln, das dann wieder in den Entwicklungsprozess einfließt. So stellt man sicher, dass man kein Produkt entwickelt, das niemand braucht. Auf dem Weg zur schnellen Version ist Mann der richtige Mann.

Real-Life-Prototyping

Natürlich steckt nicht zufällig im Firmennamen Protofy das Wort Prototyping, denn genau darum geht es. Und damit zurück zum Salat. „Wir haben 2015 begonnen, und damals hatte das Geschäftsmodell noch ganz viele Fragezeichen“, sagt Mann. Zu dem Zeitpunkt gab es schon andere Lieferdienste, die Pizza und andere fertige Lebensmittel lieferten. Aber frische Waren? Das war neu.

„Wir haben uns gefragt, will der Deutsche sein Gemüse im Supermarkt vielleicht vorher anschauen?“ Oder vertrauen Kund:innen darauf, dass ein Lieferdienst ordentliche Qualität bringt? Mann und sein Team haben daraufhin schnell eine Website gebaut und sich eine Salatbar in Hamburg gesucht, die Lust hatte, das Konzept mit ihnen zu testen.

„Nach vier Tagen habe ich den ersten Salat mit dem Rad ausgefahren“, sagt er. Rekordzeit! Doch das ist nur das eine. Das andere ist, dass Mann sofort das Feedback der Nutzer:innen hatte. Der Rest ist Geschichte, Stadtsalat hat sich längst etabliert. Doch Mann stand nach diesem geglückten Start erst ganz am Anfang.

Denn das, was Mann für seine eigene Idee umgesetzt hat, bietet er nun auch als Dienstleistung an. Etwa für einen Anbieter von Wohnungsdekoration: „Die haben überlegt, auf Amazon zu gehen“, sagt Mann. Problem: Amazon schaut sich an, welche Produkte funktionieren, baut sie nach und verkauft sie günstiger selbst. Also ging es darum, weiter als unabhängige Plattform zu agieren – aber schnell!

Ein Special-Interest-Angebot etwa kann ein guter Anfang sein. Im Falle des Dekorationsstartups waren es Hochzeiten. „Wir haben überlegt, was kann Amazon nicht?“, sagt Mann. „Und dann haben wir einen Konfigurator gebaut, den sich jedes Hochzeitspaar ganz spielerisch anschauen kann.“ Das Ergebnis war eine schnelle Umsetzung sowie Kund:innen, die mehr kauften.

Nah an der digitalen Wunderpille

Im Protofy-Konzept geht es um das schrittweise Herantasten an Lösungen, die zuerst im Kleinen funktionieren, bevor man sie vielleicht skaliert. „Meistens ist es so, dass Unternehmen mit einem gigantischen Investment und einer großen Marketingkampagne arbeiten – aber nicht wissen, wie viel die Leute am Ende kaufen“, sagt Mann. Wenn man schnell rausgeht, hat man einen Proof of Concept, mit dem ein Unternehmen effektiv arbeiten und vor allem auch rechnen kann.

Der Arbeit von Protofy liegt aber noch eine andere Hypothese zugrunde: „Wer sein Geschäftsmodell digitalisiert, macht zwangsläufig Fehler“, sagt Mann. „Unser Ansatz ist es, diese Fehler am Anfang zu provozieren.“ Das ist nicht nur billiger. So könne man möglichst viel und früh lernen, nachjustieren und die Idee schnell weiterentwickeln. Klar, E-Commerce ist die naheliegende Antwort für Digitalisierungsvorhaben, vor allem wenn alte Vertriebskanäle nicht mehr funktionieren.

„Ich glaube aber, dass jedes Unternehmen digital erfolgreich sein kann“, sagt Mann. Selbst wenn er zugeben muss, dass ein:e Heizungsbauer:in stets zu den Kund:innen fahren muss, um die kaputte Heizung zu reparieren, sieht er auch dort Potenzial: Denn abseits der Reparatur müssen Termine vereinbart werden. Und: „Wir haben über ein Konzept gesprochen, das die Fehleranalyse digitalisiert – und damit die Anfahrt der Handwerker:innen für 49 Euro, die sich für alle Kund:innen schlecht anfühlt, überflüssig macht“, sagt Mann.

Protofy ist ein Baukastensystem, dessen Elemente auf verschiedene Cases anwendbar sind. „Die Steps und Methoden sind ein Produkt geworden, das wir jedem Unternehmen anbieten. Wir glauben daran, dass wir nah an der digitalen Wunderpille sind. Nach 120 Projekten wissen wir einfach, in welchen Segmenten wir welche Schritte einleiten müssen.“ Mann sieht, dass kein Unternehmen das erste ist, das einen Digitalisierungsprozess durchläuft. Gut, wenn man sich die nötigen Elemente aussuchen kann. Wie bei einem Salat.

Dieser Text stammt aus unserer Ausgabe 2/21. 148 druckfrische Seiten mit sieben Storys zum Dossier-Thema „Einfach Machen“. Außerdem: Lucid greift Tesla und Elon Musk an, der DJ Solomun grüßt mit seinem neuen Album vom Strand, Livebuy will mit Shopping-Video-Partys Deutschland in die E-Commerce-Gegenwart holen und Bochum entdeckt die Freude am Neuen und Digitalen. Und natürlich noch vieles mehr! Also ab zum Kiosk oder zum Aboshop.

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