Productivity & New Work Wie die App Mindzeit zum persönlichen Raum für Entspannung werden will

Wie die App Mindzeit zum persönlichen Raum für Entspannung werden will

Rücken gerade. Augen schließen. Tief in den Bauch einatmen und über den Brustkorb wieder aus. Und nochmal. Stillstand. Entspannung. Pause.

Achtsamkeit wird häufig in einem Atemzug mit Yoga und Meditation genannt. Dabei ist Achtsamkeitstraining mehr als das. Es geht darum, eigene Emotionen zu erkennen, bewusst zu handeln und toxische Glaubenssätze loszuwerden. Wie geht es mir gerade? Was brauche ich im Moment? Die Fragen scheinen simpel, versucht man sie zu beantworten, merkt man, dass man über sie nachdenken muss. Und nein, Urlaub als Universalantwort zählt nicht. 

Es geht beim Achtsamkeitstraining nicht darum, die rosarote Brille aufzusetzen. Man kann Probleme nicht wegatmen.

„Gönn dir eine Mindzeit“

Man kann aber lernen, achtsamer mit sich umzugehen und so Stress entgegenzuwirken. Das wollen die beiden Gründer:innen Céleste Kleinjans und Marinko Spahic mit ihrer App Mindzeit fördern. Sie definieren die App als einen „persönlichen Entspannungsraum“.

Was Mindzeit von anderen Apps aus dem Bereich Wellbeing-Tech unterscheidet? Sie fordert Nutzer:innen auf, aktiv zu sein statt passiv. „Alle Apps, die zum Thema Achtsamkeit und Meditation zur Zeit auf dem Markt sind, sind letztendlich Bibliotheken mit Übungen“, sagt Spahic. Nutzer:innen müssen sich selbst durch unzählige Übungen scrollen, um sich für eine zu entscheiden. Am Ende ist es wie bei Netflix: Man verbringt viel zu viel Zeit mit der Auswahl, sammelt unnötig Screen-Time.

Wie geht’s dir heute?

Kleinjans und Spahic wollen Nutzer:innen die Qual der Wahl abnehmen. Ihr Ansatz: Sie gehen über Emotionen. Öffnet man die App, zeigt sich ein lila-blauer Hintergrund. Die Frage nach dem Wohlbefinden taucht langsam auf. Die Bandbreite der Antworten reicht von großartig bis sehr schlecht.

Hat man sich gefühlsmäßig eingeordnet, tauchen Bubbles mit verschiedenen Emotionen auf: Frust, Stress, Nervosität, Überforderung, Unzufriedenheit, Angst, Langweile, Freude. Aus ihnen kann man welche auswählen. Dann schlägt die App passende Übungen vor. Um diese einzusehen, braucht man jedoch ein Bezahlabo.

Kleinjans und Spahic möchten mit Mindzeit erreichen, dass Nutzer:innen langfristig lernen zu spüren, wann es für sie angebracht ist, eine Übung durchzuführen und Achtsamkeit in ihren Alltag zu integrieren. Sie sollen Gewohnheiten entwickeln. „Die App soll eine unterstützende Hilfe sein, um unbewusste Grübelschleifen und negative Gedanken ins Bewusstsein zu holen. Den Schritt braucht man, um Gedankenmuster zu durchbrechen“, sagt Kleinjans.

Wenn man für den Job aber tagtäglich acht Stunden vor dem Bildschirm hängt und von den ständigen Mails, Push-Nachrichten und Anrufen gestresst ist, ist es dann ratsam den Stressfaktor Nummer eins aka die Ablenkungsschleuder aka das Smartphone in die Hand zu nehmen und eine App zu nutzen?

Die beiden Gründer:innen zeigen sich der Problematik bewusst. Kleinjans sagt: „Bei Mindzeit geht es darum, sich mit sich selbst zu beschäftigen und sich selbst zu reflektieren und nicht darum, sich abzulenken.“ Um nicht doch zufällig bei Instagram zu landen, kann man Erinnerungen einstellen und so bewusst direkt auf der App landen. Auch das bedarf jedoch Übung.

„Achtsamkeit ist ein wichtiges Werkzeug, um mit Technik sinnvoll umzugehen.“

Céleste kleinjans

Ihre App hat auch schon im betrieblichen Gesundheitsmanagement mit ihrer Wissenschaftlichkeit überzeugt. Unternehmen wie die DB Regio, S-Bahn Rhein-Main und der SV Werder Bremen haben Mindzeit für ihre Mitarbeiter:innen im Abo-Modell gekauft. Das ist Teil des Konzepts von Kleinjans und Spahic. Sie wollen da ansetzen, wo viele einen achtsameren Umgang brauchen: in der Arbeit. Stress sorgt für die größte Ausfallrate in Unternehmen.

Das Konzept Achtsamkeit ist ähnlich lukrativ wie Schlaf. Das Thema ist universell, geht alle etwas an, ist im Mainstream angekommen. Das Problem dabei: „Achtsamkeit wird inflationär als Werbung gebraucht“, sagt Spahic. Häufig werde das Konzept missinterpretiert.

Null Prozent Selbstoptimierung

Fragt man die beiden Gründer:innen, was ihre App Mindzeit nicht ist, sagen sie ein Selbstoptimierungs-Tool. „Achtsamkeit ist etwas Essentielles, das man für sich und nicht für Leistungssteigerung tun sollte“, sagt Kleinjans. „Es ist wichtig, etwas für die mentale Gesundheit zu tun. Das ist noch nicht wirklich in der Gesellschaft angekommen. Im Gegenteil. Viele haben noch Vorbehalte, dass Achtsamkeit esoterisch sei oder nur was für Schwächlinge.“

Die beiden Gründer:innen Céleste Kleinjans und Marinko Spahic. ©Kleinjans

Das ist es nicht. Achtsamkeit kann präventiv gegen Burnout und Depressionen helfen. Es hat etwas damit zu tun, Bedürfnisse zu erkennen und umzusetzen und sich nicht einfach nur auf der Yoga-Matte zu fläzen.

Kleinjans und Spahic sagen ausdrücklich, dass ihre App präventiv die geistige Gesundheit unterstützt. Psychische Erkrankungen kann sie nicht heilen. Noch ist Mindzeit keine App auf Rezept. Die beiden Gründer:innen möchten als nächstes jedoch einen Achtsamkeits-Kurs kreieren, der von Krankenkassen erstattet wird. 

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