Work & Winning Wir machen unseren Job nicht ordentlich

Wir machen unseren Job nicht ordentlich

Der Verfassungsschutz stuft die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ ein. Doch niemand darf wissen, wie er dazu kommt. Das zu Grunde liegende Gutachten bleibt geheim. Und wir Journalisten fragen nicht einmal danach.

Hi Punks, ich muss etwas loswerden über meine eigene Zunft: die Journalisten. Wir schaffen uns gerade ab. Und das geht im KI-Zeitalter ruckzuck.

Die Geschichte liest sich so: Als ich Ende vergangener Woche hörte, der Verfassungsschutz habe die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft, wollte ich wissen, welche Gründe die Behörde dafür anführt. Normalerweise funktioniert das so: Ich lade mir die originale Pressemitteilung herunter, die einen Link auf das zugrundliegende Gutachten enthält. Und dann beginnt die Arbeit, die darin besteht, ein meistens dickes Werk so von rechts nach links durchzuwälzen, dass einem die interessantesten Punkte in aller Kürze auffallen. Doch diese Arbeit funktionierte nicht, denn es gab keinen Link.

Das Innenministerium, dem der Inlandsgeheimdienst untersteht, hat beschlossen, zwar eine dürre Pressemitteilung veröffentlichen zu lassen, das eigentliche Gutachten aber, das die größte Oppositionspartei und damit auch ihre Wählerinnen und Wähler unmittelbar in ihrer Arbeit und ihrer Wahlentscheidung betrifft, geheim zu halten. Die beiden einzigen Sätze, die in der Pressemitteilung eine Begründung für die Einstufung liefern, gehen so: „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen.“

Und was machen wir Journalisten? Wir beten die Pressemitteilung nach, die jüngeren positionieren sich scharf auf Social-Kanälen, die älteren tippen Leitartikel und alle fragen, wie es jetzt weitergeht. Verbot oder nicht Verbot? Dabei kennen wir die Gründe nicht, die zu der Einschätzung der Behörde geführt haben. Wir ziehen Schlussfolgerungen aus einem Urteil, dessen Entstehung im Dunkeln bleibt. Wir machen damit unseren Job nicht ordentlich. Kann mal passieren? Eher nicht. Denn um die Ecke steht schon der Kollege KI. Der würde es vermutlich besser machen. 

Erhaltet spannende Insights in unserem „Work Hard, Play Hard“ Email – Newsletter