Innovation & Future Northvolt am Abgrund: Europas Batterie-Hoffnung kämpft ums Überleben

Northvolt am Abgrund: Europas Batterie-Hoffnung kämpft ums Überleben

Einst als europäischer Champion der E-Mobilität gefeiert, jetzt im freien Fall: Der schwedische Batteriehersteller Northvolt entlässt mehr als die Hälfte seiner Belegschaft. Die Zukunft des ambitionierten Projekts steht auf der Kippe – und mit ihr ein Stück europäischer Industriepolitik.

Die Zahlen sind brutal: Von einst 5.000 Beschäftigten bleiben nur 1.700 übrig. Der Rest muss gehen. Besonders hart trifft es die Hauptfabrik im nordschwedischen Skellefteå, wo laut Wirtschaftszeitung Affarsvarlden nur 1.200 von rund 3.000 Arbeitsplätzen erhalten bleiben. Insolvenzverwalter Mikael Kubu sieht in diesem drastischen Schnitt die einzige Chance, den Betrieb aufrechtzuerhalten – und damit die Basis für einen möglichen Verkauf zu schaffen.

Das sei „wahrscheinlich entscheidend“, um „das Unternehmen ganz oder teilweise verkaufen zu können“, erklärte Kubu gegenüber der schwedischen Nachrichtenagentur TT. Der Stellenabbau markiert den vorläufigen Tiefpunkt einer Krise, die sich seit Monaten abzeichnete.

Vom Vorzeigeunternehmen zum Sanierungsfall

Die Chronologie des Niedergangs ist bemerkenswert: Gegründet 2016 mit der Vision, Europa bei der Batterieproduktion unabhängig zu machen, galt Northvolt lange als Leuchtturmprojekt. Doch die aggressive Expansionsstrategie erwies sich als Bumerang. Der Rückzug eines Milliardenauftrags durch BMW brachte das Unternehmen ins Wanken.

Im September 2023 folgte die erste Hiobsbotschaft: Northvolt kündigte den Abbau von rund 1.600 Stellen in Schweden an und stoppte mehrere Expansionspläne. Zwei Monate später suchte das Unternehmen Schutz unter dem US-Insolvenzrecht – vergeblich. Mitte März 2024 kam dann der finale Schlag mit dem Insolvenzantrag in Schweden.

Deutsches Werk in der Schwebe

Besonders brisant: Die Auswirkungen auf das gerade erst begonnene Projekt in Deutschland sind weiterhin unklar. In Heide (Schleswig-Holstein) hatte Northvolt im März 2022 den Bau einer Batteriezellenfabrik angekündigt. Nach langen Verhandlungen über staatliche Zuschüsse sicherte sich das Unternehmen einen KfW-Kredit über 600 Millionen Euro – abgesichert durch Bürgschaften von Bund und Land.

Der Baubeginn erfolgte im März 2024 – ironischerweise fast zeitgleich mit dem schwedischen Insolvenzantrag. Offiziell heißt es, die Tochtergesellschaft Northvolt Germany habe keinen Insolvenzantrag gestellt. Doch wie lange das deutsche Projekt ohne starken Mutterkonzern überleben kann, steht in den Sternen.

Europas Batterie-Ambitionen auf dem Prüfstand

Der Fall Northvolt wirft grundsätzliche Fragen zur europäischen Industriestrategie auf. Das Unternehmen sollte ein Eckpfeiler der europäischen Antwort auf die asiatische Dominanz bei Batteriezellen werden. Nun zeigt sich, wie schwierig der Aufbau einer konkurrenzfähigen Produktion tatsächlich ist – trotz massiver staatlicher Unterstützung.

Die Krise trifft die Branche in einer ohnehin angespannten Phase: Der Hochlauf der E-Mobilität verläuft langsamer als erwartet, während chinesische Hersteller mit Preisvorteilen und technologischem Fortschritt Druck ausüben.

Zukunft ungewiss

Die kommenden Monate werden entscheidend für Northvolt. Der Insolvenzverwalter setzt auf einen geordneten Betrieb mit reduzierter Belegschaft, um potenzielle Investoren oder Käufer anzulocken. Ob die europäische Batterie-Vision noch zu retten ist, bleibt abzuwarten. Klar ist: Der Traum vom europäischen Batterie-Champion hat einen schweren Rückschlag erlitten – mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen für die industriepolitischen Ambitionen des Kontinents.

Quellen: Spiegel.de, Zeit.de

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