Rebellin der Reben: Wie Eva Fricke den Rheingau auf links dreht
Das Vitiforstprojekt ist ein innovativer Ansatz zur nachhaltigen Weinproduktion. Wie sehen Sie die langfristigen Auswirkungen dieses Projekts auf den Weinbau und die Umwelt?
Wir versprechen uns von höheren Baumkronen eine Beschattung der Böden und eine Temperaturabsenkung von Luft und Bodentemperatur. Dies schont den Wasserhaushalt der Böden, was wiederum das Bodenleben, eine vitale Begrünung und Artenvielfalt, fördert.
Könnten Sie uns mehr über die Umstellung auf biodynamische Prinzipien in Ihrem Weingut erzählen? Wie sehen Sie die Bedeutung von Biodynamik für die Zukunft des Weinbaus?
Wie sind nicht Demeter zertifiziert und ich stehe Rudolf Steiner und seiner Lehre und Praktik kritisch gegenüber. Wir nutzen einfach einige Elemente aus der Biodynamik in unserer Arbeit: Zum Beispiel arbeiten wir seit über 15 Jahren nach Mondkonstellationen im Weinbau und zum Teil auch im Keller. Wir nutzen pflanzliche Präparate und machen eigene Tees zur Pflanzenstärkung oder wir setzen unseren eigenen Kompost an.
Welche anderen innovativen Methoden oder Technologien experimentieren Sie derzeit auf Ihrem Weingut, um den Weinbau noch umweltfreundlicher zu gestalten?
Wenn Die Witterung es erlaubt, nutzen wir den Einsatz von Drohnen für unseren Pflanzenschutz, um die Luftbelastung durch Traktoren zu verringern und die Pflanzenschutzmittel genauer auszubringen.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, mit denen die Weinindustrie in Bezug auf den Klimawandel konfrontiert ist, und wie können Winzer darauf reagieren?
Wie oben beschrieben sind Hitze und flutartige Regenfälle eine Gefährdung von Bodenleben, Pflanzen und Trauben. Wir versuchen mit dem Aufbrechen der Monokultur im Weinbau entgegenzuwirken durch die Pflanzung von Bäumen in den Lücken der Rebzeilen.

Die The Eltville Collection verbindet historische Tradition mit modernen Weinbauansätzen. Was war der Anstoß, diese Kollektion zu kreieren, und was möchten Sie mit dieser exklusiven Auswahl vermitteln?
In der Zeit der Umstellung auf Bioanbau haben sich nicht nur die Böden erholt, sondern mit jedem Jahr mehr haben die Trauben einen stärkeren und zugleich feineren Ausdruck bekommen. Die Weine haben an Komplexität und Textur gewonnen. In den Jahren 2020–2022 zeigte sich auf einmal eine besondere Aromatik, wie ich sie vorher nicht aus dem Rheingau kannte. Sie erinnerte an altes Steinobst wie Quitten, gelbe Pflaumen und an die alten Birnensorten aus dem Alten Land in Norddeutschland. Ich war absolut fasziniert davon. Später erfuhr ich durch die Stadt Eltville, dass dieser Weinberg einer der letzten ohne Erdauffüllung ist, das heißt noch mit Originalboden, so dass die Reben von 1969-1971 mit ihren tiefen Wurzeln den Ausdruck des alten Rheingaus – des Flussbetts mit Muschelkalkablagerungen – zum Ausdruck bringen können, wenn sie richtig gepflegt werden. Das machte alles so viel Sinn, die Größe dieses Terroirs dieser weltberühmten alten Weinbergslage, war durch die industrialisierte Landwirtschaft viele Jahre verdeckt und kam nun langsam wieder zum Ausdruck: eine aromatische Vielfalt und zeitlose Eleganz wie ich sie bisher nur von berühmten Burgundern und einzelnen Moselrieslingen kannte.
Zudem fehlten in der alten Anlage viele Rebstöcke. Ich habe seit 2016 aus meiner alten Lorcher Krone, einer Anlage von 1948 mit einer Rebgenetik von um 1900, angefangen Reben zu selektieren und wieder zu vermehren. Es ist eine Genetik, also ein Pflanzgut, das so nicht mehr am Markt käuflich zu erwerben ist. Mit diesen jungen Nachzüchtungen der alten Rieslingreben haben wir die Fehlstöcke wieder bepflanzt und seit 2024 auch mit einzelnen Bäumen. Die Eltville Collection ist also ein Zeitzeugen-Projekt, das mit viel Liebe und Aufwand in den letzten Jahren umgesetzt wurde. Sie vereint die Historie des Rheingauer Weinbaus an Reben und Böden, für die der Rheingau bereits vor 100 Jahren weltberühmt geworden ist. Reben und Böden sind Zeitzeugen, die es zu schützen gilt – und so auch ihr geschmacklicher Ausdruck. Das ist für mich ein Stück Weltkulturerbe und bedarf nach meinem Verständnis eines eigenen Projektes und sollte nicht in unserem regulären Sortiment untergehen.
In Zusammenarbeit mit Berry Bros. & Rudd haben Sie eine sehr limitierte Kollektion entwickelt. Was bedeutet es für Sie, mit einem so renommierten Partner zusammenzuarbeiten, und wie sehen Sie die Zukunft des internationalen Weinmarktes?
Die Zusammenarbeit mit Berry Bros. & Rudd ermöglichte uns diese jahrelange Vorarbeit und Investition. Erstmals 2024 konnten wir aus den Jahrgängen 2022 und 2023 eine eigenständige Kollektion in den Markt bringen. Mein Eindruck ist, dass ggf. etwas weniger, aber dafür bewusster und hochwertiger Wein getrunken wird.