Leadership & Karriere Die vergessenen Milliarden

Die vergessenen Milliarden

Der Coronafonds war das eine, ein Brüsseler Geldsegen mit dem sperrigem Namen Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) ein anderes Beispiel. 28 Milliarden Euro standen Deutschland aus dem im Februar 2021 gegründeten Fonds zu, der dazu dienen sollte, die grüne und digitale Transformation zu beschleunigen. Deutschland legte zwar einen Plan vor, wie das Geld hierzulande investiert werden sollte, doch drei Jahre später war noch immer nichts abgerufen wurden, weil die dazu vereinbarten Voraussetzungen nicht geschaffen worden waren.

Auch innerdeutsch haben Bund, Länder und Kommunen Probleme mit dem Geldausgeben, was dazu führt, dass zum Ende eines Jahres in der Regel um die fünf Milliarden Euro allein beim Bund nicht wie geplant investiert werden konnten. Reporter des Handelsblatts sind vor einiger Zeit – es war im Jahr 2020 – den vergessenen Milliarden nachgestiegen. Ihr Befund aus Analysen des Bundesfinanzministeriums und den Kommunalverbänden, sowie damals auch der CDU-Bundestagsfraktion, ist erschütternd. Rund 35 Milliarden Euro waren damals auf Bund-, Länder- und kommunaler Ebene sowie bei staatlich geförderten Forschungseinrichtungen einfach liegen geblieben.

Vor allem Städte und Gemeinden bleiben auf vorhandenem Geld für Investitionen sitzen. Hier fließt rund jeder dritte Euro nicht ab. Der Grund liegt ein Vierteljahrhundert zurück. Anfang der 2000er-Jahre haben viele Kommunen ihre Investitionen herunterfahren müssen und konsequent auch in den Bau- und Planungsämtern Stellen gestrichen. Wenn jetzt Geld für Investitionen da ist, fehlen in Kommunalverwaltungen Bauingenieure. Gustav Horn, einst Ökonom beim gewerkschaftsnahen Wirtschaftsinstitut IMK und Abgeordneter im Stadtparlament von Bad Belzig, einer Kleinstadt Nahe Berlin, sagte dem Handelsblatt damals: Neben fehlenden Bauingenieuren überforderten die vielen Fördertöpfe und das komplizierte Antragswesen kleinere Städte: „Ich habe deshalb vorgeschlagen, dass Bad Belzig jemanden einstellt, der sich um nichts anderes als um die Anträge für diese Fördertöpfe kümmert.“

Doch selbst wenn Bauingenieure kämen und sich der Förderdschungel lichten ließe, bleibt das Problem, dass öffentliche Bauherren immer wieder bewiesen haben, dass sie mit viel Geld auch äußerst großzügig umgehen. Hier hat der Steuerzahlerbund aus dem Effeff Beispiele parat: Die Hamburger Elbphilharmonie brauchte sieben Jahre mehr Bauzeit als geplant und kostete nicht die veranschlagten 77 Millionen Euro, sondern 866 Millionen. Gründe waren späte, aber umfassende Änderungswünsche, schlechtes Risikomanagement und schlechte Qualitätskontrolle. Der Berliner Flughafen startete neun Jahre später als geplant und kostete 7 statt 2 Milliarden Euro, wofür Planungsfehler, unklare Verantwortlichkeiten und die staatliche Eigenregie ohne Generalunternehmer verantwortlich waren. Der Bahnhof Stuttgart 21 ist noch immer eine Baustelle, statt 2,5 Milliarden Euro wird er mindestens 11 Milliarden kosten, und die Kernfrage ist unbeantwortet: Ist der neue Durchgangsbahnhof überhaupt leistungsfähiger als der alte Kopfbahnhof?

Auch die Bundeswehr, größter Profiteur des sich abzeichnenden Geldsegens, kennt das Problem. Wenn deutsche Streitkräfte neues Gerät entwickeln lassen, dann sprechen Spötter gern von sogenannten Goldrandlösungen. Als abschreckendes Beispiel gilt der Schützenpanzer Puma. Jahrelang sollen die Beschaffungsbehörden die Hersteller mit immer neuen Anforderungen konfrontiert und so die Kosten nach oben getrieben haben. Am Ende wurde der Puma so komplex und teuer, dass ihn keine andere Armee der Welt kaufen wollte. Das dürfe sich nicht wiederholen, wenn in den kommenden Jahren Milliardensummen in die Ausrüstung der Truppe fließen, sagte Rafaela Kraus, Professorin für Unternehmens- und Personalführung an der Universität der Bundeswehr München jüngst der Tagesschau: „Geld ist natürlich schon sehr wichtig. Aber es löst keine strukturellen Probleme. Und wenn ich Geld ins System gebe, kann ich womöglich noch mehr Ineffizienzen erzeugen.“

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