Die vergessenen Milliarden
Stimmt auch der Bundesrat zu, ist der Weg frei für eine beinahe unbegrenzte Kreditaufnahme des Staates. Milliarden werden frei für Infrastruktur, Verteidigung und Klimaschutz. Doch die Vergangenheit zeigt: Das Geld wird oft nicht abgerufen. Weil es bei der Planung hapert, bleibt in manchen Kommunen jeder dritte Euro liegen. Und wo es wie bei der Bundeswehr ineffiziente Strukturen gibt, werden diese jetzt richtig satt.
Der Bundestag hat den Weg frei gemacht, für Milliarden und Abermilliarden von Steuergeld finanzierten Krediten, die für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz ausgegeben werden sollen. Was im Geldrausch keiner sieht: Auch als weniger Geld zur Verfügung stand, sind Jahr für Jahr Milliardensummen liegen geblieben, weil Kommunen, Länder und Institutionen wie die Bundeswehr gar nicht in der Lage waren, sie auszugeben. Der Schluss liegt nahe: Viel Geld nützt nicht viel.
Das Thema passt in diesen Tagen, in denen sich entscheidet, ob sich eine neue Regierung zusammenfindet, die schier grenzenlose Schulden aufnehmen will, niemanden in der Politik auf die Agenda. Aber es ist da. Der Präsident des Steuerzahlerbundes Reiner Holznagel beschreibt es in einem Eilbrief an die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas so: „2024 haben Bund und Länder mehr als 115 Milliarden Euro für Investitionen ausgegeben.“ Es fehle also nicht an Geld, sondern an Entschlossenheit, Bürokratie abzubauen: „Neue Schulden lösen keine Probleme, solange Investitionen durch langwierige Genehmigungsverfahren und überzogene Umweltauflagen blockiert werden und Planungsverfahren selbst dann Jahre dauern, wenn Milliarden Euro an Steuergeld bereitstehen.“
Die Nachfrage beim Steuerzahlerbund, wie viele Milliarden wo konkret 2024 nicht ausgegeben werden konnten, weil es irgendwo in der Verwaltung klemmte, bleibt allerdings unbeantwortet. Das Gleiche passiert im Finanzministerium, wo auf Nachfrage nach den Restmilliarden als Antwort eine unendliche große Datei mit Haushaltsplänen geschickt wird. Wie sich daraus die Frage nach den nicht genutzten Milliarden beantworten lässt, bleibt das ungelüftete Geheimnis der Finanzverwaltung. Hilfe bei solch heiklen Fragen? Derzeit Fehlanzeige.
Also bleibt die Spurensuche. Das Phänomen taucht überall auf. Zuletzt hatte sich FDP-Haushaltsexperte Moritz Körner darum gekümmert, und zwar im Zusammenhang mit dem 360 Milliarden Euro starken Wiederaufbaufonds der EU, den Brüssel nach Corona zur Verfügung gestellt hat. Die EU-Kommission hatte davon bis Ende des Jahres 2024 erst 197 Milliarden Euro ausgezahlt, konnte Körner berichten. Und Deutschland hat erst 65 Prozent des ihm zustehenden Geldes abgerufen. Wegen des stockenden Abflusses hielt Körner die Debatte über eine weitere Schuldenaufnahme für verfehlt. „Den Mitgliedstaaten stehen erhebliche Summen an ungenutzten Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds zur Verfügung“, sagte er. „Statt auf Schulden zu setzen, sollten sie diese Mittel endlich abrufen.“ Für solche Einschätzungen ist die FDP jetzt aus dem Bundestag geflogen.