Hi VW, willkommen zurück unter den Lebenden
Erst verschwanden die Katastrophen-Schlagzeilen und jetzt gibt es sogar Lichtblicke: Kommt Volkswagen aus der Krise? Diese fünf Punkte sprechen dafür.
Es gibt ihn, diesen „Wind of Change“. Manchmal bläst er durch die Politik und Parteien. Und manchmal durch die Wirtschaft und Unternehmen. Er pustet Deutschlands größten Konzern gerade durch: Volkswagen. Es kann dabei sein, dass aus dem Sturm, der den Konzern in seinen Grundfesten erschüttert hat, gerade ein Rückenwind wird. Vielleicht lassen sich auch einfach nur die alten Platzhirsche unter den Herstellern nicht ganz so einfach vom Spielfeld vertreiben. Diese fünf Indizien jedenfalls sprechen dafür, dass VW die Krise Schritt für Schritt meistert, in der der Konzern steckt, seitdem auch er vom Einzug der E-Mobilität und dem Einbruch in China erfasst worden ist.
- In Europa ungeschlagen
Das Kraftfahrzeug-Bundesamt zählt sehr genau. Nach seinen Zahlen sah es beim Absatz des VW-Konzerns im Jahr 2024 so aus: Top 1 unter allen Automarken ist Volkswagen mit dem Golf bei 100.183 Neuzulassungen. Die Plätze 1 bis 5 der meistverkauften Autos in Deutschland sind von Modellen des VW-Konzerns belegt. Insgesamt konnte die Marke VW 2024 trotz rückläufigem Gesamtmarkt von -1 Prozent den Absatz um 3,4 Prozent auf 537.000 Fahrzeuge steigern; somit belief sich der Marktanteil der Marke VW wie gehabt auf rund ein Fünftel – trotz allen Krisenlärms. Insgesamt hat der VW-Konzern im Jahr 2024 in Deutschland 1.134 Millionen Fahrzeuge verkauft, belieferte damit über 40 Prozent des Gesamtmarktes. Bei Elektroautos (BEV) musste VW zwar dem Markttrend folgend Absatzeinbußen von -12,1 Prozent hinnehmen, allerdings erheblich weniger als der Gesamtmarkt mit -27,4 Prozent. Unter den drei Top-Marken bei Elektroautos lag VW einsam an der Spitze mit 62.000 Einheiten – fast doppelt so viele wie Tesla. Von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autohersteller kann also keine Rede mehr sein. Auch bei Verbrennern war und blieb VW 2024 die Marke Nummer eins.
In Europa konnte VW seine Pole-Position weiter ausbauen. Laut dem europäischen Automobilherstellerverband ACEA nahmen die Pkw-Neuzulassungen in der EU um 0,8 Prozent auf 10,6 Millionen Fahrzeuge zu. Die „Automobilwoche“ fasst zusammen, wie sich der Markt darstellt: „Der Volkswagen-Konzern zieht Stellantis davon, die Marke Toyota macht Boden gut – und Tesla landet auf der Loser-Liste“. Der VW-Konzern konnte seinen Absatz jedenfalls mit 3.407 Millionen Einheiten um 2,5 Prozent steigern, der EU-Marktanteil des Konzerns aus Wolfsburg steigt auf 26,3 Prozent. Der Marktanteil der Nummer zwei in der EU, der Stellantis-Gruppe, ging von 16,5 Prozent auf 15,2 Prozent zurück. China steht auf einem anderen Blatt und auch der US-Markt wird unter dem neuen Zoll-Ansagen nicht einfacher. Auf dem umkämpften Heimatkontinent aber ist VW ganz offenbar außerordentlich erfolgreich.
2) Machtkampf entschieden
VW- und Porsche-Vorstandschef Oliver Blume sitzt nach einem Machtbeben beim Sportwagenhersteller Porsche wieder fest im Sattel. Diejenigen dagegen, die daran Zweifel hatten, müssen gehen, wie Volkswagen am vergangenen Wochenende trocken mitteilte. Porsche Finanzchef Lutz Meschke und Vertriebsvorstand Detlev Platen stehen vor der Ablösung. Dass Blume bleibt und nicht wie bei VW bisher üblich, beim leisen Windhauch das Vertrauen der Hauptaktionäre verliert, ist ein gutes Zeichen. Der Sportwagenbauer schlittert gerade in eine Situation, in der die bärenstarken Margen nur noch stark sind, und der Mutterkonzern ist noch längst nicht über den Berg – da hätte ein Beben an der Spitze keine Verbesserung gebracht. Blume leitet seit September 2022 zusätzlich zu Porsche auch die Konzernmutter Volkswagen und ist damit der einzige Manager in Deutschland, der zwei Dax-Konzerne parallel führt.
3) Junge Wilde von der Leine gelassen
Während Volkswagen weltweit 2024 noch mit einem blauen Auge davongekommen ist, traf es Konzerntochter Audi besonders hart: Knapp 12 Prozent weniger Autos verkauft die Premiummarke und fiel – besonders bitter – erstmals hinter dem direkten Konkurrenten Tesla zurück. Da ist ein Lichtblick von besonderer Bedeutung: Cupra. Ein Plus von 7,5 Prozent steht beim Absatz der noch jungen spanischen VW-Tochter, die Seat ablösen wird. Nur Skoda reicht mit knapp 7 Prozent noch annähernd an den Konzernsieger heran. Cupra-Chef Wayne Griffith inszeniert sich als jungen wilden Rebell, weiß aber genau, dass er ein gut gemachtes Nest vorgefunden hat: Cupra musste nicht bei null anfangen, sondern konnte auf die bestehende Seat-Infrastruktur und das Volkswagen-Händlernetz zurückgreifen. Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber neuen Marken aus den USA oder China. Was einst als sportliche Submarke von Seat begann, ist heute eine der am schnellsten wachsenden Automarken Europas. Mit Modellen wie eben dem Cupra Formentor, dem Cupra Leon oder dem vollelektrischen Cupra Born hat die Marke ein Portfolio aufgebaut, das sowohl sportlich als auch wirtschaftlich erfolgreich ist.
4) Endlich wieder ein Volkswagen
VW als Kernmarke des Konzerns hat jetzt wohldosiert erste Informationen und noch sehr schattiges Bildmaterial über sein neues elektrisches Einstiegsmodell veröffentlicht – ein Auto, das für rund 20 000 Euro laut Markenchef Thomas Schäfer „die Champions League des Automobilbaus“ sein soll. Damit soll der holprige Start des Konzerns ins Elektro-Zeitalter der Vergangenheit angehören. Software-Probleme, Produktionsverzögerungen und eben Autos, die alles andere als Volkswagen waren, weil sie vom Preis her allenfalls als Boss-Wagen durchgehen, sind dann auch keine Schlagzeile mehr wert. Damit dann auch alles wirklich klappt, kommt das Einstiegsmodell zum wettbewerbsfähigen Preis allerdings wohl erst in zwei Jahren. Immerhin gelang in dieser Woche der Coup, erste Umrisse des Modells zu zeigen. Die Neugier steigt.
5) Das Weihnachtswunder hat geholfen
Das „Weihnachtswunder“ von Wolfsburg liegt noch keine zwei Monate zurück. Nach monatelangem Konflikt hatten sich VW, Betriebsrat und IG Metall Ende Dezember geeinigt bis 2030 mehr als 35.000 Stellen zu streichen. VW spare durch die Arbeitskostenentlastung 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, heißt es. Die Gewerkschaft IG Metall hatte im Tarifstreit für eine neue Beschäftigungsgarantie für die rund 130.000 Mitarbeiter gekämpft. Der Konzern sagte letztlich eine neue Beschäftigungssicherung bis 2030 zu. Weitere „Grausamkeiten“ sind vom Tisch: Ganze Werkschließungen wird es – anders als zwischenzeitlich befürchtet – nicht geben. Für einige Standorte, darunter das Stammwerk in Wolfsburg, stehen aber gravierende Veränderungen an. Dort steht das Aus für den Verbrenner-Golf fest. Die Produktion der Modelle Golf und Golf Variant werde ab 2027 nach Puebla in Mexiko verlagert. Künftig sollen am Unternehmensstammsitz die Elektro-Modelle ID.3 und der Cupra Born gefertigt werden. Auch für die bereits auf E-Autos umgestellten Werke in Emden und Zwickau scheint die Zukunft mit Modellen der ID-Reihe beziehungsweise E-Autos von Audi erstmal sicherer. Damit herrscht Klarheit – jedenfalls, solange keine Katastrophen passieren.