Life & Style „Gruschel mich!“ – Wie studiVZ zum größten verpassten Tech-Wunder Deutschlands wurde

„Gruschel mich!“ – Wie studiVZ zum größten verpassten Tech-Wunder Deutschlands wurde

Der Absturz: Skandale, kopierte Features und fehlende Innovationen

Während Facebook ständig neue Features entwickelte, blieb studiVZ technisch stehen. Datenschutzauflagen machten Innovationen schwierig. Statt das Netzwerk zu modernisieren, setzte man auf starre Strukturen und parallel betriebene Plattformen (studiVZ, schülerVZ, meinVZ), die Ressourcen fraßen.

Parallel sorgte studiVZ-Gründer Ehssan Dariani für Negativschlagzeilen.

„Der Gründer interviewte eine sichtlich angetrunkene Frau auf einer Disco-Toilette und stellte das Video ohne ihre Zustimmung auf YouTube.“

Diese und andere Skandale schadeten dem Image des Unternehmens zusätzlich.

Als schließlich die Nutzerzahlen einbrachen, wurde studiVZ an den Investor VertCapital verkauft – der letzte Versuch, die Plattform zu retten.

Die Rettungsmission – und ihr Scheitern

Als Agneta Binninger als letzte CEO von studiVZ übernahm, war das Netzwerk bereits auf dem absteigenden Ast. Sie versuchte, das Unmögliche möglich zu machen.

„Es gab noch eine Million sehr aktive Nutzer – aber keine Nutzerbetreuung, technische Probleme und kaum Einnahmen. Gleichzeitig lagen die monatlichen Serverkosten im hohen sechsstelligen Bereich, obwohl die Auslastung nur bei 5 % lag!“

Agneta Binninger nimmt sich als Aufgabe, das Netzwerk zu restrukturieren, Kosten zu senken und neue Einnahmequellen zu schaffen. Überraschenderweise gelang es ihr, studiVZ profitabel zu machen – doch es war zu spät.

„Ein amerikanischer Investor wollte studiVZ übernehmen. Doch als es um den Relaunch ging, fehlte das Geld – und das Projekt starb endgültig.“

Nach einem weiteren Verkauf verschwand studiVZ endgültig von der Bildfläche.

Binninger hebt jedoch hervor, dass die Plattform trotz der Misswirtschaft noch viel Potenzial hatte:

„Ich habe mit zwei ehemaligen schülerVZ-Fans – die damals noch Schüler waren! – die Plattform technisch komplett neu aufgesetzt. Wir hätten studiVZ langfristig erhalten können, wenn die richtigen Investitionen erfolgt wären.“

War das Scheitern unvermeidbar? – Ein Fazit von Doku-Autor Fritz Lüders

Viele sehen in studiVZ ein verpasstes deutsches Tech-Wunder. Hätte das Netzwerk mit den richtigen Entscheidungen überleben können? Lüders ist skeptisch:

„Ich glaube, das Scheitern war unausweichlich. StudiVZ war eine Facebook-Kopie – aber Facebook war besser, internationaler und schneller. Datenschutzrichtlinien und fehlende Innovationen taten ihr Übriges.“

Aber er gibt auch eine andere Perspektive:

„StudiVZ hat gezeigt, dass eine digitale Plattform aus Deutschland funktionieren kann. Es war die Blaupause für viele spätere Start-ups – auch wenn es selbst gescheitert ist.“

Ein weiteres großes Problem war laut Lüders die Struktur des Unternehmens:

„Michael Brehm, der ehemalige Geschäftsführer von studiVZ, sagt in unserem Film, dass sie rund 80 Prozent der Entwicklungskapazitäten in das Thema Datenschutz stecken mussten und die Plattform dadurch nicht besser, sondern schlechter wurde.“

Die Plattform hätte laut Lüders nur eine Chance gehabt, wenn sie von Anfang an für alle Altersgruppen offen gewesen wäre – doch der Datenschutz machte dies unmöglich.

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