„Gruschel mich!“ – Wie studiVZ zum größten verpassten Tech-Wunder Deutschlands wurde
Es war das größte soziale Netzwerk Deutschlands – bis es plötzlich verschwand. studiVZ, schülerVZ und meinVZ prägten eine ganze Generation. Millionen von Nutzern verbrachten Stunden damit, sich durch Gruppen wie „Ich glühe härter vor, als du Party machst“ oder „Wer ist eigentlich LAN und warum macht er so viele Partys?“ zu scrollen. Doch während Facebook zur weltweiten Plattform wurde, zerfiel studiVZ. Verpasste Chancen, Skandale und strategische Fehler sorgten dafür, dass aus einer revolutionären Idee ein digitales Wrack wurde.
In der neuen NDR-Dokumentation „Gruschel mich – Die studiVZ-Story“ erzählt Autor Fritz Lüders erstmals die vollständige Geschichte des Aufstiegs und Falls eines deutschen Tech-Wunders. Hätte studiVZ Facebook Paroli bieten können?
Der Aufstieg: Von einer Studentenidee zum größten sozialen Netzwerk Deutschlands
2005 gründeten Ehssan Dariani und Dennis Bemmann studiVZ. Inspiriert von Facebook, das damals nur für US-Universitäten zugänglich war, entwickelten sie eine deutsche Version – mit roten statt blauen Farben, „Gruscheln“ statt „Anstupsen“ und ikonischen Gruppen, die sich viral verbreiteten.
Innerhalb kürzester Zeit wuchs das Netzwerk auf 17 Millionen Nutzer an. Fast jeder deutsche Internetnutzer unter 30 war dabei. Die Plattform wurde zum zentralen digitalen Treffpunkt einer Generation.
Der Hype zog Investoren an. 2007 kaufte die Verlagsgruppe Holtzbrinck studiVZ für rund 85 Millionen Euro. Doch was als Erfolgsgeschichte begann, entwickelte sich schnell zu einem Beispiel für eine gescheiterte Tech-Revolution.
Das verpasste Facebook-Angebot – 70 Milliarden Dollar, die nie kamen
Die wohl größte Fehlentscheidung in der Geschichte von studiVZ fiel 2006: Mark Zuckerberg wollte die Plattform übernehmen. Facebook bot Anteile – doch die Gründer lehnten ab. Heute wären diese Anteile über 70 Milliarden US-Dollar wert.
Autor Fritz Lüders, der für die Doku recherchierte, erklärt:
„Ende 2006 wurde über eine Übernahme verhandelt. Aber die studiVZ-Gründer entschieden sich dagegen, weil sie statt Facebook-Anteilen Cash wollten.“
Nach dem Verkauf an Holtzbrinck erhielt auch der Verlag ein Angebot von Facebook – und lehnte ebenfalls ab. Warum?
Lüders dazu:
„Die Verlagsgruppe hat sich nicht zu den Gründen geäußert. Aber es hätte studiVZ vielleicht gerettet.“
Stattdessen blieb studiVZ eine isolierte Plattform, während Facebook international expandierte – mit dem großen Vorteil, dass sich Nutzer weltweit vernetzen konnten.
