Productivity & New Work Ein Jahr LkSG: Nicht Bürokratie ist das Problem, sondern Intransparenz 

Ein Jahr LkSG: Nicht Bürokratie ist das Problem, sondern Intransparenz 

Das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) ist vor einem Jahr in Kraft getreten und Unternehmen beklagen sich über zu viel Bürokratie. So sehr, dass selbst der Bundeskanzler im Herbst einknickte und lapidar beschloss: „Das kommt weg“. Sie verkennen dabei, dass Lieferkettentransparenz längst kein reines Ethik-Thema mehr ist, sondern eine strategische Notwendigkeit: Wer seine Lieferketten nicht im Griff hat, riskiert nicht nur Image- und Rechtsprobleme, sondern auch handfeste finanzielle Verluste. Wer seinen Einkauf dagegen richtig aufstellt, erledigt Compliance mit dem LkSG fast nebenbei.  

Gastbeitrag von Erk Ewringmann-Dörr, Managing Dirctor, amc-group und Andreas Pohle, Experte für Supply Chain Management sowie Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung amc.

Es ist ein kontroverser Jahrestag: Das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) wurde am 1. Januar 2025 ein Jahr alt. Es erlegt größeren Unternehmen entlang ihrer gesamten Lieferkette Sorgfaltspflichten auf: Bei mittelbaren und unmittelbaren Lieferanten müssen sie Risiken wie Kinder- und Zwangsarbeit, unsichere Arbeitsbedingungen oder Umweltverschmutzung identifizieren, minimieren oder beseitigen und ihre Aktivitäten dokumentieren. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) prüft die Einhaltung der Dokumentationspflichten: Strafen bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes können verhängt werden. 

Nun zetern viele deutsche Unternehmen: zu viel Bürokratie, zu hohe Kosten, kein echter Nutzen. Ein Bericht der Hessenschau zeigte kürzlich einen Unternehmer aus der Biotech-Branche, der für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und das LkSG extra einen Mitarbeiter eingestellt hatte. Ihm zufolge fielen innerhalb von zwei Jahren Kosten im mittleren sechsstelligen Bereich an. So wie dieses Unternehmen müssen deutschlandweit rund 5200 Unternehmer ihre Zulieferer prüfen. Das passiert in der Regel mit Fragebögen. Die Probleme damit: Der Wahrheitsgehalt der Angaben lässt sich oftmals nicht nachvollziehen, die Handhabe, wenn die Bögen nicht ausgefüllt werden, ist gering und es bleibt fraglich, ob sich durch das Ausfüllen von Fragebögen in Deutschland die Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern verbessern. Der Mittelstand sieht in der neuen Regulierung einen Wettbewerbsnachteil, gerade weil kleinere Unternehmen die Anforderungen nur schwer erfüllen können.  

Die genannten Probleme sind im Kern nachvollziehbar. Fragebögen postalisch oder als E-Mail zu verschicken, ist mit einem hohen Aufwand verbunden, belastet die Organisation und bringt wenig Mehrwert. „Der vom Gesetzgeber vorgesehene Prozess mit Abfragen und Dokumentationen ist typisch bürokratisch; auf die Anforderungen und den Handlungsdruck wird mit Papierkrieg reagiert, weil dies der Weg des geringsten Widerstands ist“, meint auch Andreas Pohle, Experte für Supply Chain Management sowie Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung amc aus Bonn, die Einkaufsprozesse für Unternehmen optimiert.  

Doch für ihn steht ein ganz anderes Thema im Vordergrund: „Jedes Unternehmen sollte sich selbstkritisch die Frage stellen, ob nicht ein größeres strukturelles Problem zugrunde liegt, wenn es im Jahre 2025 noch immer Zettel nach China schicken muss“, so der Experte. 

 Ein Unternehmen ohne Lieferantenmanagementsystematik, das nicht verbunden ist mit den Zulieferern, das nicht weiß, zu welchen Konditionen seine Einkaufsabteilung wo in der Welt bestellt, bewegt sich auf sehr dünnem Eis. Die letzten Jahre sind das beste Beispiel dafür, dass ein Transport aus China ein hohes Risiko birgt. Wer damit weitermacht, bleibt verwundbar.  

Risiken begegnen 

Seien es die geopolitische Situation, Währungsrisiken, potenzielle Reputationsschäden oder Liefer- oder Lieferantenausfälle – Risiken müssen bekannt sein und berücksichtigt werden. 

Das tun Unternehmen aber immer noch viel zu selten und machen weiter, wie bisher. Neben Andreas Pohle beschäftigt sich auch Erk Ewringmann-Dörr bei amc mit der Optimierung von Einkaufsprozessen in Richtung nachhaltige Beschaffung. „Wer sicherstellen will, dass die Unternehmensgeschäfte nicht auf dem Rücken von Kindern ausgetragen werden, der benötigt einen Plan B“, so der Fachmann. Viele Unternehmen haben aber nicht einmal eine Dual-Source-Strategie in der Hinterhand, um das Auftragsvolumen zu splitten, Risiken zu diversifizieren oder zu minimieren. Insgesamt werden große Teile des Einkaufs nicht klassisch gemanagt: Die Verantwortlichen wissen nicht, wo die Lieferanten von Rohstoffen und Teilprodukten sitzen, wie man sie clustern kann oder welche Warengruppen es gibt. Ewringmann-Dörr: „Ist ein Unternehmen dazu heutzutage nicht in der Lage, sollte es seine Strukturen dringend überdenken – Lieferkettengesetz hin oder her.“ Denn die Lieferanten sind zentral für die Wertschöpfung; bei produzierenden Unternehmen macht das Einkaufsvolumen 70 Prozent des Umsatzes aus. 

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