Female Entrepreneurship Platz an der Sonne. Oder wie man eine Männerbranche aufmischt

Platz an der Sonne. Oder wie man eine Männerbranche aufmischt

Auf Dächern und in dunklen Kellern

Nervenstärke, Ausdauer und eine fast versessene Liebe zur Dokumentation – nur so, sagt Wolff, kann man die Qualität hochhalten, damit der Betrieb möglichst reibungslos funktioniert.  
2022 kam sie zur Firma. Die ersten Wochen war sie unterwegs: auf Baustellen, in regionalen Meisterbetrieben, in der hauseigenen Akademie, die als größtes Schulungszentrum für Solarmonteure in Europa gilt. „Der Prozess war extrem gut strukturiert. Es wurde darauf gepocht, dass ich alle Stationen durchlaufe, bevor ich mit der eigentlichen Arbeit beginne.“ Wolff kletterte also auf Dächer, stieg hinab in dunkle Keller und montierte Solarpaneele. Alles, um das komplexe Zusammenspiel von Solarmodulen, Ladestationen, Wärmepumpen, Zählerschränken, Stromzählern und Batterien zu verstehen. Was ihr bei der Einarbeitung in die komplexe Welt der Produkte half? „Dass ich mich schon in der Beratung in viele unterschiedliche Themen reinschmeißen musste“, heißt es von ihr. „Und dass ich über handwerkliches Geschick verfüge. Mein Werkzeugkoffer zu Hause kann sich jedenfalls sehen lassen.“ 

Weit über dem Niveau der Branche

Im April 2023 wurde die Managerin zur Vice President Operations. Ein halbes Jahr dauerte es, bis ihr Team komplett war: Gutachter, Qualitätsingenieure und Elektro-Meister, die jede Norm des Elektroverbandes VDE auswendig kennen. „Viele der Experten habe ich selbst eingestellt“, sagt Wolff nicht ohne Stolz. Bei den Ingenieuren habe sie etwa 60 Kandidaten interviewt, bis das Team stand. 
Parallel setzte sie Prozesse neu auf, vereinheitlichte Standards. Auf jeder Baustelle fordert man heute über 100 Fotos an: von Dachhaken, Unterkonstruktionen, Kabelwegen, Zählerschränken. Jene Bilder werden nun im Sechs-Augen-Prinzip von Elektromeistern und Ingenieuren kontrolliert. Diesen Prozess zertifizierte der VDE – ein Novum in der Solarbranche. Dazu kommen Stichproben vor Ort, durch interne Inspekteure und externe technische Berater der großen Finanzpartner. Alles soll sitzen. Die Anforderungen sind hoch, denn die Banken, die bei Enpal die Anlagen vorfinanzieren, machen strenge Vorschriften, kontrollieren die Qualität, wollen penible Dokumentation. Sie müssen sicher sein, dass eine Solaranlage über die Finanzierungszeit von 20 Jahren verlässlich läuft. Nur dann stimmen die Zahlen, performt das Portfolio. Heißt: die Prozesse müssen passen. Bis ins Detail. 
„Das ist Fluch und Segen“, sagt Wolff. Fluch, weil man sich keine Fehler erlauben darf und besser sein muss als der Branchendurchschnitt. Und Segen – aus den gleichen Gründen.  
 
„Wir spielen auf hohem Niveau, mit den besten Investoren weltweit. Das ist Druck – hebt aber auch das Level unserer Arbeit.“ Schritt für Schritt optimierte ihr Team das Qualitätsmanagement, „von gut auf sehr gut“. Trotzdem geht manchmal etwas schief, beschweren sich Kunden in den Sozialen Medien über schlechten Service oder Probleme bei der Installation. „Natürlich passieren uns Fehler. Das ist nicht zu 100 Prozent vermeidbar bei tausenden Installationen jeden Monat. Unsere Handwerker sind auch nur Menschen.“ Umso wichtiger sei es, so wenig wie möglich dem Zufall zu überlassen. Wolffs Meisterstück: 2023 sollten alle der damals 40.000 Solaranlagen der Firma erneut auf Herz und Nieren geprüft werden. „Das macht sonst kein Unternehmen, dass es diese Kosten auf sich nimmt und sagt: ´Wir fahren alle Anlagen routinemäßig nochmal an´“, so Wolff. Doch sie hielt Wort: Das extra geschaffene Spezialteam zog das Mammutprojekt durch. 

Nicht jeder gönnte ihr den Erfolg

Enpal-Gründer Mario Kohle hatte die Qualitätsrevolution immer wieder selbst gepusht – und dankte es. Nach einem Jahr wurde Wolff zum Senior Vice President befördert, in den engsten Kreis des Topmanagements aufgenommen, Board Member. 

Nicht jeder gönnte ihr jenen Erfolg. „Du kriegst die Rolle nur, weil du eine Frau bist, und nicht, weil du qualifiziert bist”, raunte ihr ein Kollege zu. Derselbe, der ihr gleich am Anfang gesteckt hatte: „Hier wirst du nie was, weil du eine Frau bist.“ Sie bewies das Gegenteil. Wenig später verließ er das Unternehmen. Wie ist es als Frau in einer Männerbranche? „Easy”, sagt Laura Wolff und lacht. Kürzlich erst habe sie darüber wieder nachgedacht, anlässlich eines Treffens von Project ada. So heißt die firmeneigene gehobene Initiative für gleiche Karrierechancen für Frauen, benannt nach der weltweit ersten Programmiererin Ada Lovelace. Thema bei dem Treffen waren Führungswerte und da habe sie festgestellt: „Hier kann man einfach man selbst sein, authentisch. Das war komplett anders in dem Corporate-Umfeld, in dem ich vorher war. Da ist jeder so geschliffen.” Wer ein Start-up gründet, ist mit 80 Prozent Wahrscheinlichkeit männlich. So stellte es der Female Founders Monitor kürzlich fest. Und auch das Top-Management ist meistens mittelalt, weiß und eben männlich. Erst recht trifft das auf die Energiebranche zu. Doch es geht eben auch anders. Wolff sagt, sie sei lieber Arbeitspferd als Rampensau. Manchmal aber, gesteht sie, hätte sie gerne so coole Zitate auf Lager wie Sheryl Sandberg oder Mode-Gründerin Sara Blakely. Ihre Vorbilder. Bei der letzten Sommerfeier aber, da seien viele junge Kolleginnen auf sie zugekommen und hätten sich bedankt. Dafür, dass sie die Ärmel hochkrempelt. Dafür, dass sie sich in der Männerdomäne behauptet. Und auf einmal ist Laura Wolff selbst das große Vorbild. 

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