Leadership & Karriere Hättet ihr Trump gewählt?

Hättet ihr Trump gewählt?

Er würde sagen: nicht ein Gramm, schon weil er befürchten muss, sonst die nächste Wahl zu verlieren. Doch in Wahrheit beginnt damit das Biegen und sich Beugen, das Lavieren und sich Verdrehen. Schon Merz’ Forderung an Scholz, die Vertrauensfrage jetzt zu stellen, ist ein Angriff sozusagen von hinten durch die Brust ins Auge: Denn das Ziel wäre, dass Scholz die Abstimmung, die nur er selbst initiieren kann, verliert und damit den Weg für Neuwahlen freimacht. Das Verfahren ist einigermaßen absurd. Wenn Regierung und Opposition diesen Weg einschlagen, begeben sie sich in Wahrheit auf einen Umweg.

Die deutsche Verfassung kennt ein zweites, authentischeres Verfahren, um eine im Parlament mehrheitslose Regierung aus dem Amt zu drängen: das konstruktive Misstrauensvotum. Nur diskutiert diese Möglichkeit in Deutschland gerade kaum einer – was genau einen Grund hat: Die AfD würde dazu gebraucht.

Die Abgeordneten des Bundestags können dem Kanzler ihr Misstrauen erklären. Der Vorgang ist stets verbunden mit der Neuwahl eines anderen Kanzlers, was eben das Konstruktive daran ist. Zwischen Abwahl und Neuwahl dürfen nicht mehr als 48 Stunden liegen, und der Kandidat braucht eine absolute Mehrheit im Bundestag. Hinter dieser ausgeklügelten Regelung steht die Erfahrung aus der Weimarer Republik, die lautete: Stürzen ist einfach, Neuwählen schon schwieriger.

Die AfD kann diesen Prozess nicht lostreten, denn allein für den Antrag braucht es 25 Prozent der Stimmen im Parlament, über die sie nicht verfügt. Friedrich Merz allerdings könnte es tun, ihm würden andere folgen. Das Problem für Merz wäre jedoch der zweite Teil, wenn er den Sturz so organisierte: Für die Neuwahl eines Kanzlers, also ihn selbst, bräuchte er mindestens 367 Ja-Stimmen im Parlament, was dann eine Mehrheit wäre. Da sich weder voraussichtlich Grüne noch die SPD, die jetzt die Minderheitsregierung stellen, an seiner Wahl beteiligten, funktioniert das nicht. Es sei denn: Merz setzt auf die AfD. Das aber wiederum ist ein politisches Tabu, eine „Brandmauer“, wie Merz sie selbst nennt.

Tatsächlich wäre es wahrscheinlich politischer Selbstmord, weil Merz’ eigene Partei diesen Weg nicht mitgehen würde und der bislang unangefochtene Kandidat selbst ins Straucheln geriete. Genau diese Einsicht lässt allerdings tiefer blicken: Wer sich nach einem „authentischen“ Kandidaten sehnt, einen wie Trump, der sich im Guten wie im Schlechten nicht verstellt und damit Erfolg gehabt hat, der muss sich jetzt fragen: Will ich diesen Christdemokraten als Kanzler, der als erstes jene Sozialdemokraten mit ins Boot holt, die für das aktuelle Desaster verantwortlich sind? Will ich einen Kanzler, der als Nächstes die Vertreter der Grünen hofieren muss, damit sie ihm zur Regierungsmehrheit verhelfen?

Aus Friedrich Merz, dem baumlangen, aufrechten Kerl, wird am Tag eins der Koalitionsverhandlungen Friedrich Merz, der biegsame Taktierer, der eigene Positionen verrücken muss, um Mehrheiten zu schmieden. Natürlich ist das das Wesen von Politik und Demokratie. Und in Deutschland gibt es, anders als in den USA, eben nicht nur Rot und Blau, sondern auch jede Menge Schattierungen dazwischen, die für eine Mehrheit gebraucht werden. Trump, der Ideologie verachtet und Moral durch Interessen ersetzt, würde in so einem Fall wahrscheinlich keine Brandmauern kennen – womit der Unterschied zwischen dem, was Amerika bekommen hat, und dem, was Deutschland blüht, markiert ist.

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