DriveStyle Ford: „Unsere Fehlschläge sind erfolgreicher als unsere Erfolge“

Ford: „Unsere Fehlschläge sind erfolgreicher als unsere Erfolge“

Schrumpfkur beim – noch – viertgrößten Autohersteller der Welt. Ford muss sparen, dass es knirscht. Das trifft den Standort Köln mit voller Wucht. Jetzt gibt es da nicht mal mehr einen Chef.

Das Firmenjubiläum im kommenden Jahr – Ford Deutschland wurde im August 1925 in Berlin gegründet – könnte für die Belegschaft ein eher unerfreuliches Datum werden. Ford hat als jüngste Strategie-Entscheidung für Deutschland und Europa die Konzentration auf Elektrofahrzeuge verkündet. Es scheint nicht die klügste Wahl in der langen Geschichte des Unternehmens gewesen zu sein, denn der Absatz stockt. Allerdings sind die herkömmlichen Verbrenner auch nicht mehr die Renner, die sie einstmals waren: Innerhalb der letzten fünf Jahre reduzierten sich die Verkaufszahlen in Deutschland von rund 280.000 auf 117.000. Die Antwort aus der Firmenzentrale in Dearborn bei Detroit: Schrumpfung, Werkstilllegungen, Verlagerung von Produktion, Arbeitsplatzabbau. Der Bau von Kleinwagen etwa wanderte vor Jahren von Deutschland nach Polen und weiter nach Indien.

Die Umstellung auf E-Mobile fordert ihren Tribut. „In Zukunft wird jedes neue Ford-Modell über einen Elektroantrieb verfügen”, so heißt es aus der Deutschland-Zentrale des Herstellers. 30 Milliarden Dollar investiert die Muttergesellschaft in die „Transformation” des Unternehmens. „Mit Blick auf zukünftige Generationen in einer elektrifizierten Welt entwickeln wir immer nachhaltigere Fahrzeuge mit hocheffizienten Motoren”, so das Credo. In Köln, dem Stammsitz von Ford Deutschland und Ford Europa, sollten immerhin zwei Milliarden Dollar ankommen, um das “erste Electrification Center von Ford in Europa” aufzubauen. Doch das steht auf tönernen Füßen.

Die wagemutige Annahme, die Welt sei künftig komplett elektrifiziert, basiert auf den Regelungen von EU und etlichen nationalen Regierungen weltweit, bis zu jeweils einem Stichdatum nur noch vollständig „CO2-freie” Autos zuzulassen. Aber in Stein gemeißelt ist auch das nicht. Andere Antriebe wären natürlich ebenfalls denkbar, sind aber noch Zukunftsmusik. Ford will Stromer. Um das Rad – in diesem Fall eher: die Batterie – nicht nochmals neu zu erfinden, kooperiert Ford mit Volkswagen, etwa beim „Elektrobausatz”, so der Spottname für die elektrische Plattform, auf der zahlreiche VW-Modelle und auch Ford-Fahrzeuge wie Capri und Explorer basieren, dazu kommt als gemeinsame Ford-Entwicklung der VW Amarok und der VW-Transporter. Gebaut in der Türkei, übrigens. Die Nutzfahrzeugsparte von VW (VWN) zeigt sich derweil förmlich begeistert von der Kooperation: „Wir sind sehr zufrieden mit unserer Zusammenarbeit“, sagte der Chef von VWN, Carsten Intra, der Deutschen Presse-Agentur. „Und wir prüfen immer, welche Ausbaumöglichkeiten der Kooperation es noch gibt. Denn wir ergänzen uns an vielen Stellen wirklich gut.“

Von Ford war da in jüngster Zeit wenig zu vernehmen, schon gar nichts Begeistertes. Denn der Umbau ist teuer, in Köln, in Saarlouis, in Belgien und in Großbritannien, wo ein Batteriewerk in Arbeit ist. Dazu fließt laut Planung viel Geld in ein Netz von 500.000 Schnell-Ladestationen in Europa. Und dies alles vor dem Hintergrund, dass Ford elektrisch weltweit Milliardenverluste einfährt, im zweiten Quartal 2024 waren es 1,14 Milliarden US-Dollar. Der langandauernde Schrumpfkurs bei Ford Deutschland führte letztlich auch zum Abbau zahlreicher Arbeitsplätze in der Verwaltung, Produktion und Entwicklung. Ford-Deutschland-Chef Martin Sander, dessen Posten nicht wieder besetzt wurde, wechselte im Juni geschmeidig zu – Volkswagen.

Nun folgt eine Art Rolle rückwärts: Auch nach 2030 bleiben Hybride und Verbrenner im Ford-Portfolio. Angesichts eines brutalen Zuschussgeschäfts bei den E-Mobilen ist das eine Art Notbremsung. Ford sieht keine Chance, angesichts unklarer Förderrichtlinien und widriger Markt- und Regulierungsbedingungen in Deutschland und Europa seine Elektrostrategie kompromisslos durchzusetzen. Immerhin machte Ford nach Berechnungen der „Wirtschaftswoche” mit jedem verkauften E-Mobil im ersten Quartal 130.000 Dollar Verlust. Da wäre es günstiger gewesen, jedem Kunden einen Ford Mustang zu schenken unter der Bedingung, dass er kein Elektroauto kauft.

Dabei war die Geschichte von Ford in Deutschland über lange Strecken ebenso spektakulär wie die der amerikanischen Legende Henry Ford an der Spitze seines Unternehmens, mit den ersten Fließbandmodellen wie Ford “T”, Tin Lizzie (etwa: Blechliesel). Während der Nazizeit und besonders im Zweiten Weltkrieg entstand für die in deutsche Staatsverwaltung übernommene US-Firma eine unerfreuliche Gemengelage – Ford in Köln baute Fahrzeuge für die Wehrmacht. Und wurde Ziel alliierten Bomberflotten als „feindliche” Produktionsstätte. Ford USA bemühte sich zu versichern, dass man keineswegs auf beiden Seiten an der Kriegsproduktion verdiente, sondern in Deutschland quasi enteignet worden sei.

Direkt nach dem Krieg lief die Produktion von Pkw wieder an. Der Ford “Taunus 12M”, später 15M, dann “Cortina” und “Escort” wurden allesamt Erfolgsmodelle, teils in Köln für den Weltmarkt einschließlich USA gebaut. Mit „Fiesta” und „Focus” ziehen sich Modellerfolge bis in die jüngste Zeit – die meisten inzwischen ersatzlos gestrichen. Von den einst zu Hochzeiten rund 55.000 Beschäftigten blieben 2015 noch weniger als die Hälfte; 2018 wurden nochmals Stellenstreichungen in der Größenordnung von 12.000 Arbeitsplätzen angekündigt. In zähen Verhandlungen erreichte die IG Metall Sozialpläne und eine zeitliche Streckung des Stellenabbaus. Inzwischen läuft das vierte Sparprogramm seit 2018. Da Ford in Detroit nun die Steuerung des Europageschäfts weitgehend direkt übernimmt, wurden auch etliche Führungsposten in Köln und den übrigen europäischen Werken überflüssig. Zahlreiche Chefs mit ihren Stäben mussten gehen.

Kein wirklicher Trost für die Gewerkschaften und Betriebsräte, die zu retten versuchen, was zu retten ist. Denn auch sonst kommt aus Detroit nichts Ermutigendes. Wie die „Automobilwoche” kürzlich schrieb, ist auch die geplante Entwicklung weltweit verkäuflicher Elektro-Kleinwagen in Köln schon Geschichte, bevor sie begonnen hat. Stattdessen: America First, in diesem Fall Los Angeles. Dort in Kalifornien fällt es Ford-Boss Jim Farley leichter, bei Tesla, Rivian, sogar Apple IT-Fachleute und Ingenieure abzuwerben, als wenn er sie nach Dearborn verfrachten wollte. Dass Farley selbst noch vor einigen Jahren Kölner Ford-Chef war, reichte offenbar nicht, ihn von deutschen oder europäischen Ingenieurskünsten restlos zu überzeugen. Oder, wie es der „Automobilwoche” schwant: „Das wird nicht gut ausgehen” für Köln. Aber womöglich auch nicht für Ford insgesamt, denn die Sparmaßnahmen verbreiten einen Anflug von Panik. Seit Anfang November sind am Rhein statt vier nur noch zwei „Geschäftsführer” an Bord. Einer zuständig für Personal, einer für Transformation und Kontakt nach Dearborn. Das sieht nach Abwicklung aus. Wie sagte einst Henry Ford, etwas kryptisch: „Unsere Fehlschläge sind oft erfolgreicher als unsere Erfolge”.

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