Life & Style „Es gibt kein Gesetz, das uns verbietet, gute Arbeit zu machen. Auch Karl Lauterbach verbietet das nicht.“

„Es gibt kein Gesetz, das uns verbietet, gute Arbeit zu machen. Auch Karl Lauterbach verbietet das nicht.“

Was heißt das?

Ich habe die Vision, den Menschen ihre Berufung zurückzugeben. Kein Mensch hat einen Job gewählt, ist zum Beispiel examinierte Pflegekraft geworden, um 40 Prozent seiner Zeit dafür aufzubringen, die anfallende Bürokratie zu bewältigen. Bei uns sind Pflegekräfte allein für die Gäste verantwortlich. Sie betreuen bis zu acht Gäste und entscheiden selbständig, was zu tun ist. Sie sind für unsere Gäste präsent, können sich nicht in einem Schwesternzimmer verstecken und sind für die Gäste, Angehörige und Kollegen da. Im Schnitt kommen bei uns auf 6,27 Patienten eine Pflegekraft. Das ist ein gutes Verhältnis, im Deutschlandschnitt sind es fast doppelt so viele Patienten. 

Sie sprechen mal von Gästen, mal von Patienten.

Es sind Gäste, die zwischendurch mal geröntgt und operiert werden, oder die Blut abgezapft bekommen. Wissen Sie: Patient kommt ja aus dem Lateinischen und bedeutet, dass jemand viel ertragen muss. Ich setze eher auf das Wort Hospes, was auch aus dem Lateinischen kommt und in dem der Begriff Hospital und Gastfreundlichkeit steckt.

Also sind die Waldkliniken mehr ein Hotel?

Für die Betreuung der gesetzlich Versicherten haben wir vom Hotel- und Gaststätten-Verband DEHOGA eine Vier-Sterne-Bewertung bekommen. Die Betreuung der Privatversicherten hat sogar fünf Sterne erhalten. 

Standardzimmer in den Waldkliniken Eisenberg

Wie geht das?

Wir haben uns gefragt: „Was fände ich schön, wenn ich hier selbst Gast wäre?“ Was gehört zur Customer-Experience, also zur Erfahrung, die die Kunden machen? Die Antwort: gutes Essen, menschenfreundliche Architektur, freundliche Begrüßung, und das Wissen darüber, was, wann mit mir passiert. Ich möchte anhand meiner Diagnose begleitet werden. Ich möchte eine feste Bezugsperson im Krankenhaus haben. Durchschnittlich sind Patienten fünf Tage hier und können anschließend in unsere Reha. Manche wollen bleiben, weil das Essen so lecker ist. 

Dann sagen Sie doch mal: Was steht auf dem Speiseplan?

Wir kochen alles selbst, regional, saisonal, wenn es geht, biologisch. Wir arbeiten mit einer eigenen Erzeugergemeinschaft zusammen. Sie finden hier Felder in der Umgebung, da gibt es Schilder, auf denen steht: „Hier wächst die Kartoffel für die Waldkliniken Eisenberg.“ Sarah Wiener, TV-Köchin und ehemalige EU-Abgeordnete, hat uns anfangs angeleitet. Inzwischen beliefern wir auch Kindergärten, Schulen und künftig auch das Landratsamt. Es ist auch hier wieder das Prinzip, die Menschen zu ihrer Berufung zurückzuführen. Es ist doch niemand Koch geworden, um Tüten-Produkte zuzubereiten. Das Ganze ist personalaufwändiger, aber im Einsatz der Produkte oft günstiger.  Es gibt eine Speisekarte. Es gibt übrigens auch Alkohol. In überschaubaren Dosen versteht sich.

Wie kann sich ein kommunales Krankenhaus das alles leisten?

Am Ende kriegen wir das gleiche Geld von den Kassen wie alle andere auch. Aber wir wissen: Ohne Fachkräfte und zufriedene Patienten können wir keinen Umsatz machen. Und kein Umsatz heißt auf jeden Fall auch kein Gewinn. Wenn die Mitarbeiter unzufrieden sind und gehen, fehlt mir am Ende alles. Deswegen werde ich niemals auf Kosten der Mitarbeiter ein Krankenhaus runterökonomisieren, alles outsourcen und nur noch mit Hilfskräften arbeiten. Ich setze auf den Gegentrend, und der heißt: Die Menschen da einzusetzen, wo sie hinwollen, wo sie stark sind. Zufriedene Mitarbeiter bedeuten zufriedene Gäste. Es kann doch nicht sein, dass wir erst Pflegekräfte mit unseren Steuergeldern ausbilden, und dann so schlecht behandeln, dass sie ihren Job verlassen, weil einfache Sachen nicht stimmen: Wertschätzung, Arbeitszeit, Planungssicherheit für freie Tage oder Urlaube. Es gibt Erhebungen, die sagen: 350 000 Menschen würden in ihren Pflegejob zurückkehren, wenn die Umstände stimmen. Das ist ein gigantisches Reservoir. 

Was ist das Wichtigste im Umgang mit den Mitarbeitern?

Ein stabiler Dienstplan, Wertschätzung durch alle Berufsgruppen, eine Gleichverteilung von Arbeitsdruck. Die meisten Krankenhäuser setzen zum Beispiel gleichviele Leute an allen Tagen ein, wohlwissend, dass der Arbeitsdruck Tage- und Uhrzeitabhängig ist. Da können wir von der Industrie lernen. Und eben: den Menschen wieder die Verantwortung zurückzugeben. Sie müssen wissen: Ich trage Verantwortung für meine Patienten. Nicht ein Team, nichts Diffuses, da ist kein Chef. Mit meiner Befähigung darf ich tun, was ich für richtig halte. So wollen wir arbeiten.

Ist das System aufwändig?

Das Aufwändigste ist es zu wollen und durchzusetzen. 

Ein Beispiel?

Der Umgang mit dem Veterinäramt. Bringen Sie denen mal bei, dass wir im Krankenhaus ein ganzes Rindvieh zerlegen wollen. Vakuumiertes Fleisch aus Polen zu beziehen ist natürlich einfacher.

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