Leadership & Karriere Christian Lindner auf der IPO Night: „Ich verfolge in meinem politischen Leben das Prinzip der Unanscheißbarkeit“

Christian Lindner auf der IPO Night: „Ich verfolge in meinem politischen Leben das Prinzip der Unanscheißbarkeit“

Flankieren Sie den Übernahmeversuch oder stehen Sie passiv an der Seitenlinie? Wie verhält sich Berlin jetzt?

Das ist eine Frage des Managements. Die Bundesregierung hat die Interessen der Steuerzahler zu vertreten, aber die Verantwortung für weitere Schritte liegt beim Vorstand und Aufsichtsrat der Bank. Wir haben alles getan, was wir aus unserem Vermögensverwaltungsinteresse tun können.

Sie haben die Herbstentscheidungen ausgerufen und die ganze Republik schaut nun gebannt: Kommen da Entscheidungen? Ist es so, dass Sie an dieser Haushaltsfrage die Regierung scheitern lassen?

Ich orientiere mich an Sachfragen. Meine USA-Reise in der vergangenen Woche hat mich sehr beeindruckt. Ich habe mit führenden Entscheidungsträgern der privaten Finanzwirtschaft gesprochen, die Deutschland den Aufschwung zutrauen, aber auch unsere aktuelle Wachstumsschwäche und den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit sehen. Ich möchte auch nicht auf Dauer als Finanzminister – und das will ich ja noch ein bisschen länger bleiben in dieser und der nächsten Wahlperiode – das Sorgenkind beim Internationalen Währungsfonds sein, zwar stark in der Fiskalpolitik, aber schwach beim Wachstum. Denn wir haben ein zu geringes Wachstum der Produktivität. 

Und das haben wir uns durch zu viel Bürokratie selbst zuzuschreiben. Wir haben in Deutschland ein zu geringes Arbeitsvolumen. Das hat viele Gründe. Das fängt bei der Kinderbetreuung an und geht weiter über Fehlanreize beim Bürgergeld und die zu hohe Besteuerung von Mehrarbeitsqualifizierten. Und es endet vielleicht bei der telefonischen Krankmeldung, denn auch wenn es keine Kausalität gibt, so gibt es doch eine gewisse Korrelation in den Zahlen.

Und ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, dass wir uns auch von einer Lebenslüge verabschieden müssen, nämlich dass es möglich ist, die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union ohne Kernenergie fünf Jahre früher treibhausgasneutral zu machen als der Rest der Europäischen Union. Wir schreiben Technologien und Anlagen viel schneller ab, als dass es ökonomisch sinnvoll wäre. Das müssen wir durch Subventionen ausgleichen. Dieses Geld fehlt, um zum Beispiel mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags den schnellsten Impuls für eine Unternehmenssteuerreform zu geben. Wir müssen jetzt im Herbst Entscheidungen für unser Land treffen, denn Unsicherheit gefährdet die Wirtschaft. Unter unsicheren Bedingungen wird niemand investieren oder konsumieren.

Aber was ist mit dem machtpolitischen Teilen? Die Realität ist, dass diese Regierung offensichtlich nicht funktioniert und alle Beteiligten, übrigens aus allen drei Parteien, sagen: „Wir sind am Ende. Und da fragt sich die Nation schon: „Gut, wenn ihr das so erkennt, dann beendet das doch auch. Könnt ihr die Nation nicht einmal von dieser Ampellösung erlösen?

Für mich geht es um Sachfragen für unser Land, und da sind in diesem Herbst noch viele Aspekte offen. Und es gibt nach wie vor große Möglichkeiten, jetzt auch schnell zu einem Turnaround zu kommen. Und deswegen nein, ich glaube, man darf diese Frage nicht machtpolitisch beantworten. Sonst würde sich nur die Frage stellen: Was kommt danach? Erst kommt die Prüfung, ob ein gemeinsamer Kurs möglich ist, ob der Vorrat an Gemeinsamkeiten ausreicht oder ob im anderen Falle wir uns neu die Karten legen müssen.

Sie wollen auch in der nächsten Bundesregierung Finanzminister bleiben. Mit einem Friedrich Merz würden Sie besser zurechtkommen als mit einem Olaf Scholz. Aber Schwarz-Gelb würde nicht reichen. Dann müssten Sie wieder mit den Grünen regieren. Können Sie sich das vorstellen?

Jetzt ist nicht die Zeit für Wahlkampf. Auch nicht für Koalitionsaussagen. Warum nicht? Ihre Spekulation, ich würde mit Friedrich Merz besser zurechtkommen als mit anderen, ist zum jetzigen Zeitpunkt falsch – bitte missverstehen Sie das nicht als Beleidigung. Diese Unterstellung ist zum jetzigen Zeitpunkt substanzlos. Warum? Ich schätze Friedrich Merz, aber ich kenne das Programm der CDU für die nächste Bundestagswahl noch nicht. Der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes ist kein kurzfristiges Problem. Seit 2014 sind wir auch unter CDU-Verantwortung von Platz 6 auf Platz 24 abgestürzt. Mir geht es nicht um einen Schönheitswettbewerb der Kanzlerkandidaten, sondern um einen nüchternen Textvergleich der Wahlprogramme. Solange dieser nicht vorliegt, erübrigen sich Koalitionsgespräche. 

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