Life & Style „Wir haben keine Angst!“ 

„Wir haben keine Angst!“ 

Fürchten Sie die Ankunft des CDU-Granden Friedrich Merz, wenn der zum Bundeskanzler gewählt wird? Jener will ja das Gesetz aus dem Frühjahr 2024 sofort wieder abwickeln. Schon alles sehr erstaunlich, ist dieses Werk ja erst ein schlappes halbes Jahr alt. 

Davor haben wir keine Angst! Die Teillegalisierung war ein bedeutender Fortschritt, basierend auf jahrelanger Forschung und internationalen Erfahrungen, sowie gesellschaftlichen Mut. Eine Rücknahme wäre ein massiver Rückschritt – nicht nur für unsere Branche, sondern vor allem für die Patienten. Besonders betroffen wären bei einer Rücknahme des Cannabis-Gesetzes die Aspekte Entkriminalisierung und die Cannabis Social Clubs. Der medizinische Sektor hingegen, in dem Cannabis bereits seit 2017 als verschreibungspflichtiges Medikament zugelassen ist, dürfte von einer möglichen Gesetzesänderung weniger stark betroffen sein. Es würde sehr viele Arbeitsplätze gefährden, Millioneninvestitionen in Frage stellen und den Schwarzmarkt wieder stärken. Was oft übersehen wird: Ein regulierter Markt bedeutet Kontrolle und Sicherheit. Wir können Standards setzen, Qualität garantieren und Konsumenten besser schützen. Zudem hat Cannabis einen erwiesenen medizinischen Nutzen – der Zugang zu diesen therapeutischen Anwendungen muss gewährleistet bleiben. Deutschland hat hier die seltene Chance, eine echte Vorreiterrolle in Europa einzunehmen. Es wäre klar rückschrittlich, diese Innovationsführerschaft aufzugeben. 

Wenn es dazu kommt: Was machen Sie dann? Haben Sie einen Plan B. im Gepäck? 

Zunächst einmal. Die Firma gab es schon Jahre vor der Teillegalisierung. Wir versorgten bereits seit 2018 Patienten mit medizinischem Cannabis, 2023 waren es monatlich 10.000 Patienten. Sollte es zu einer politischen Kehrtwende kommen, würden wir unsere Bemühungen in Forschung und Entwicklung weiter intensivieren. Das Know-how, das wir über die Jahre aufgebaut haben, ist in jedem Fall wertvoll und vielseitig einsetzbar. Deutschland hat hier einen mutigen, innovativen Schritt gemacht – und gilt in dieser Branche als Vorreiter in Europa. Es wäre fatal, diese Position leichtfertig aufzugeben. 

Ihnen – als Seriengründer von Start-ups – würde ich gerne die Frage stellen: Wie steht es um die Gründerkultur in Deutschland? 

Die hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt, aber es gibt noch viel Luft nach oben. Positiv: Ökosysteme für Start-ups in Städten wie Berlin, München, Köln oder Hamburg werden immer stärker. Es gibt mehr Inkubatoren und Venture Capital als je zuvor. Wir haben auch eine starke Forschungs- und Entwicklungsbasis, besonders in traditionellen Industrien wie Maschinenbau und Automobilsektor. Das bietet eine solide Grundlage für innovative Start-ups. Allerdings kämpfen wir mit der Bürokratie, Unternehmensgründungen sind oft kompliziert, zeitaufwendig und mit hohen administrativen Hürden verbunden. Hier fehlen uns digitalisierte, schlanke Prozesse. Ein weiterer Knackpunkt ist unsere Einstellung zum Scheitern. In Deutschland herrscht oft noch eine zu große Angst davor. Wir müssen lernen, Fehler als Lernchancen zu begreifen. 

Bei der Finanzierung greifen Start-ups oft auf ausländische Finanzierungsmöglichkeiten zurück, wenn es um größere Wachstumsfinanzierungen in Höhe von zehn Millionen Euro oder mehr, geht. Deutschland ist auf einem guten Weg, aber es liegt noch Arbeit vor uns, um wirklich eine Kultur zu schaffen, die Unternehmertum fördert und feiert. 

Was genau wäre dann – in Ihren Augen – eine Wucht beim Stichwort Veränderung? 

Eine echte „Wucht“ wäre für mich ein Paket aus mehreren Maßnahmen: Erstens brauchen wir eine umfassende Bildungsreform. Wir sollten unternehmerisches Denken in Schulen fördern und Jugendliche früh mit den Grundlagen vertraut machen. Eine Idee wäre ein digitaler „One-Stop-Shop“ für Gründer, der alle behördlichen Prozesse in einem Vorgang abwickelt und damit den Start erheblich erleichtert. Estland macht das bereits vor. 

Drittens benötigen wir finanzielle Anreize. Steuerliche Erleichterungen für Investitionen in Start-ups könnten das verfügbare Risikokapital deutlich erhöhen. Und zuletzt auch: eine bessere Vernetzung zwischen Wirtschaft, Gründern und Forschung ist wichtig. All dies machte uns zu einem der attraktivsten Standorte für Gründer weltweit. So gedeihen Innovationen und unternehmerischer Geist. Das wäre eine Revolution!  

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