Innovation & Future Wie Agilität die Energiebranche der Zukunft beeinflusst

Wie Agilität die Energiebranche der Zukunft beeinflusst

Gastbeitrag von Veronika Bunk-Sanderson, Geschäftsführerin für den Bereich Finanzen (Chief Financial Officer) bei E.ON Energie Deutschland.

Von künstlicher Intelligenz bis zum Klimawandel: Weltweit stehen Gesellschaften, aber auch die globale Wirtschaft vor enormen Herausforderungen, aber auch Chancen. Das gilt auch für die Energiebranche – sie blickt nach der Energiekrise wieder nach vorn, nachdem Versorger, Haushalte und Unternehmen mit massiven Auswirkungen konfrontiert waren. Jetzt steht wieder verstärkt der Wandel und Umbau hin zu einer dezentralen und dekarbonisierten Energiewelt von morgen im Fokus. Gleichzeitig zeigen Schwankungen auf den Energie-Großhandelsmärkten insbesondere beim Erdgaspreis im August 2024, dass weltweite Krisenherde sehr schnell wieder zu Nervosität und Anspannung im Energiesektor führen können. Mit Blick auf die gesamte Branche bin ich daher überzeugt: Wir befinden uns zwar auf dem Weg in eine neue Energiewelt, sind aber aktuell mitten in einer Transformationsphase, die noch sehr stark von den fossilen Energien geprägt ist. Dies erfordert von uns allen eine neue Agilität und Bereitschaft zur dauerhaften Veränderung.  

Insbesondere in meiner Finanzverantwortung für den größten Energievertrieb Deutschlands bin ich überzeugt: Nur wer tagesaktuelle Entwicklungen im Blick behalten, diese interpretieren und im Rahmen agiler Prozesse Ableitungen trifft, ist heute, aber auch für die Zukunft optimal aufgestellt.    

Es gilt also, die Bereitschaft zur Transformation und zu schnellen Entscheidungen, die auf dem Höhepunkt der Energiekrise unabdingbar waren, in einem Unternehmen prozessual und vor allem dauerhaft zu implementieren, um zukünftige Herausforderungen bestmöglich bewältigen zu können. Aus meiner Sicht helfen hierfür drei Eckpfeiler.

Erstens: Agilität der Kunden

Das Verhalten der Kunden verändert sich rapide. Sie sind nach der Energiekrise preisbewusster und sie vergleichen Anbieter und Angebote häufiger. Das heißt für uns: Wir müssen näher am Kunden sein denn je. Uns schenken die Kunden großes Vertrauen, wir werden als verlässlicher und stabiler Energieanbieter geschätzt. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns darauf ausruhen dürfen. Im Gegenteil. Denn die Bedürfnisse verändern sich ständig weiter. Manche Kunden legen Wert auf Nachhaltigkeit, andere auf Preisstabilität, wiederum andere auf Flexibilität. Gerade letzteres wird in den kommenden Jahren durch eine Vielzahl neuer Angebote rund um dynamische Tarife die Energiewelt maßgeblich prägen. Es gilt also, diesen Bedürfnissen in ihren Ausprägungen gerecht zu werden.

Zweitens: Agilität des Marktes

In einem dynamischen Marktumfeld wie der Energiebranche ist es unerlässlich, sich so schnell wie möglich an neue Rahmenbedingungen anzupassen und Innovationen voranzutreiben. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung neuer Technologien, sondern auch um die Fähigkeit, Geschäftsmodelle flexibel zu gestalten und Marktchancen frühzeitig zu erkennen und zu nutzen. 
Mit Blick auf das „New Normal“ der Branche wird Agilität in den kommenden Jahren daher ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass sich der Markt jederzeit „drehen“ kann. Insbesondere im Sinne der Kunden sollten sich Unternehmen daher entsprechend aufstellen. Darüber hinaus wird der Markt durch strukturelle Veränderungen geprägt – neue Wettbewerber kommen hinzu, andere fallen weg. Entscheidend ist daher für mich, dass Unternehmen, die heute in ihre Agilität investieren, den Grundstein für langfristigen Erfolg legen. Insbesondere nach der Krise ist Agilität damit eine strategische Notwendigkeit geworden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. 

Agilität und Anpassungsfähigkeit sind daher zwei entscheidende Faktoren, um auch Kunden zu überzeugen, langfristig zu binden und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Drittens: Agilität im eigenen Unternehmen 

Ein allgemein gültiger, aber zentraler Leitsatz ist für mich: Unternehmen müssen dauerhaft in der Lage sein, schnell auf Veränderungen zu reagieren und ihre Strategien dynamisch anzupassen. Der Schlüssel dazu sind der schon erwähnte Elan, aber auch Flexibilität. Konkret bedeutet das für mich, starre Hierarchien aufzubrechen und interdisziplinäre Teams zu fördern, die in der Lage sind, eigenverantwortlich und effizient zu arbeiten. 

Eine solche Neuordnung der Strukturen erfordert mitunter auch einen tiefgreifenden Kulturwandel innerhalb der Unternehmen. Es gilt, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die ständiges Lernen und Anpassungsfähigkeit fördert. Veränderung darf nicht als Bedrohung wahrgenommen, sondern muss als Chance begriffen werden, um sich kontinuierlich zu verbessern und innovativ zu bleiben. Nur durch die Schaffung einer agilen Kultur, in der Flexibilität und Innovationsfreude fest verankert sind, können Unternehmen die Herausforderungen der Zukunft meistern. 

Die Energiekrise war hierfür bereits ein gutes Beispiel. Während der Krise waren wir stets in der Lage, angemessen auf sich verändernde Rahmenbedingungen zu reagieren. Wir haben schnelle, abteilungsübergreifende Einsatzteams in Form von „Squads“ und „Rooms“ gebildet, um zügig die vorgegebenen regulatorischen Änderungen etwa zu den Preisbremsen umzusetzen. Wir waren damit allzeit im „Driver’s seat“ und konnten viele „Learnings“ generieren. Das hilft uns auch heute, um auf künftige Herausforderungen vorbereitet zu sein. Diese drei Perspektiven – Agilität bei den Kunden, im Markt als auch im Unternehmen – zeigen die Vielseitigkeit; und erneut auch die Herausforderungen, aber vor allem auch die Chancen. In einer Zeit, in der Ansprüche steigen, sich Bedürfnisse und Märkte schnell verändern, ist Agilität nicht nur ein strategisches Unternehmensziel, sondern ein Leitprinzip, das die gesamte Branche stärken kann. So kann es der Energiebranche gelingen, in dieser „New Normal“-Phase den Weg in die neue Energiewelt aktiv mitzugestalten – selbstbewusst und mutig. 

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