Leadership & Karriere Von wegen peinlich: Der Friedensappell der Ost-Politiker ist eine Wohltat für die Demokratie

Von wegen peinlich: Der Friedensappell der Ost-Politiker ist eine Wohltat für die Demokratie

Zwei Ministerpräsidenten und einer, der es werden will, setzen sich für mehr Diplomatie im Krieg zwischen Russland und der Ukraine ein. Darüber wird man wohl doch reden dürfen, ohne gleich ein Putin-Versteher zu sein – oder?

Die Bild-Zeitung findet das „peinlich“. Dabei ist es die gute Nachricht des Tages: Die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg und der Thüringer CDU-Chef haben sich für ein stärkeres diplomatisches Engagement Deutschlands zur Beendigung des russischen Kriegs gegen die Ukraine ausgesprochen. „Wir wollen eine aktivere diplomatische Rolle Deutschlands in enger Abstimmung mit seinen europäischen Nachbarn und Partnern“, schreiben Michael Kretschmer (CDU), Dietmar Woidke (SPD) und Mario Voigt (CDU) in einem gemeinsamen Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Und: „Es geht darum, einen Waffenstillstand zu erreichen und der Ukraine belastbare Sicherheitsgarantien zu bieten.“ Ihr Statement ist gut – und zwar, weil es ein Zeichen ist, dass die Demokratie in Deutschland lebt.
Der Brief zeigt, dass sich etwas bewegt. Alle drei sind bei der Koalitionsbildung nach den Wahlen in ihren Ländern auf Unterstützung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) angewiesen. Wagenknecht verlangt dafür eine Positionierung gegen die geplante Stationierung weiterreichender US-Raketen in Deutschland und ein Eintreten für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der überfallenen Ukraine – den diese zu den russischen Bedingungen aber ablehnt. Sie sagt zu dem Gastbeitrag: „Angesichts einer politischen Debatte, die sich seit zweieinhalb Jahren in Deutschland nur noch um die Frage dreht, welche Waffen als Nächstes an die Ukraine geliefert werden, ist der Artikel ein wichtiger Beitrag, weil er endlich eine andere Perspektive aufzeigt.“

Was die Ex-Kommunistin erreicht hat: Sie hat, ausgestattet mit Wahlerfolg und Machtinstinkt, die Alt-Parteien dazu gebracht, über ihren Schatten zu springen. Das, was die AfD nicht schafft, weil sie sich rückwärtsgewandt und in Teilen rechtsextrem als Koalitionspartner selbst ausschließt, gelingt dem deutlich geschmeidigeren BSW: Es bringt Positionen in die hergebrachte Parteienlandschaft ein, die bislang tabu waren.

Um es klarzustellen: Niemand muss Wagenknechts Meinung teilen. Niemand muss den Brief der Ost-Troika unterschreiben. Aber dass hier eine Haltung zur Debatte gestellt wird, die bis gestern noch als Putin-Anbiederung verstanden wurde, ist ein Fortschritt. Die deutsche Demokratie findet wieder zu Streit und Debatte zurück. Sie diffamiert jedenfalls für dieses eine Mal nicht die, die eine andere Meinung haben. Der Brief ist insofern eine Wohltat in einer Stimmung, die bislang zu vergiftet war, um den anderen auch nur zu Wort kommen zu lassen.

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