Productivity & New Work „Oh Gott, ich will nicht nach Berlin“

„Oh Gott, ich will nicht nach Berlin“

Die Softwarefirma Staffbase hat bereits rund 300 Millionen Dollar bei Investoren eingesammelt und viele Großkonzerne als Kunden. Die Bewertung liegt damit im „Einhorn“-Bereich – also über einer Milliarde Euro. Inzwischen strebt Gründer und CEO Martin Böhringer an die Börse – aus Chemnitz heraus. Er liebt den Standort über alles.

Martin – wieso bist du nicht in Berlin?

Oh Gott, ich will nicht nach Berlin.

Warum nicht?

Viele sehen Chemnitz als eine Art Vorort von Berlin, aber für mich hat der Standort hier viel mehr zu bieten. Berlin ist einfach der Startup-Mainstream. Wenn du ein Startup hast, dann gehst du nach Berlin. Das ist mir zu einfach. Mir ist wichtig, dass wir authentisch sind und unsere eigene Identität behalten – und das passt einfach besser zu Chemnitz.

Und in Chemnitz?

Hier gibt es kein Fake. Wer in Chemnitz ist, lebt nicht vom Hype, wie in Berlin. Du kannst dich in Berlin monatelang um dich selbst drehen. Chemnitz ist echt. Unsere Bodenständigkeit hat uns sehr geholfen. Wenn ich hier bei Staffbase aus dem Fenster schaue, sehe ich einen Gabelstaplerverleih und eine Autowerkstatt.

Ist Chemnitz Provinz?

Klar. Aber von London oder New York aus gesehen, ist auch Berlin irgendwie Provinz. Der deutsche Mittelstand sitzt nun mal in der Provinz – und genau das sind unsere Kunden. In der Provinz brauchst du manchmal eine Stunde bis zur nächsten Autobahn, und trotzdem sitzen dort Weltmarktführer. Sowas gibt es sehr häufig, und das ganz ohne Hype. Ich liebe diese Geschichten, die irgendwie aus der Zeit gefallen wirken, aber unsere Wirtschaft stärker definieren als viele Startups.

Habt ihr nie darüber nachgedacht, Chemnitz zu verlassen?

Mittlerweile haben wir große Standorte überall auf der Welt. Mein Mitgründer ist damals drei Jahre nach der Staffbase-Gründung nach New York gegangen und hat dort ein zweites Office eröffnet. Jeder Investor hat uns anfangs gefragt, warum wir in Chemnitz sind. Das hat eine Zeit gedauert, bis die wirklich großen Investitionsrunden kamen. Dann war das auf einmal kein Thema mehr.

Bei euch in Sachsen ist die AfD stark. Wie denkst du darüber?

Dieser Blick von oben herab auf die Menschen, die AfD wählen, geht gar nicht. Meine persönliche Meinung ist, dass die AfD rückwärtsgewandt und damit kontraproduktiv ist. Aber wir bei Staffbase machen uns stark für die Demokratie und eine offene Gesellschaft, in der jeder Platz hat – und da gehören die Wähler aller Parteien dazu.

Und wie sehen deine ausländischen Investoren das?

Die sehen, dass das kein sächsischer Trend ist. Die halbe USA wird Donald Trump wählen. Aber wenn du durch eine internationale Brille schaust, lernst du mehr Gelassenheit. Der Weltuntergang findet definitiv noch nicht statt – und das wissen auch unsere Investoren.

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