Innovation & Future Das Ende der Stechuhr 

Das Ende der Stechuhr 

In vielen Berufen kann man also künftig um 9 Uhr ins Büro kommen und um 10 Uhr fertig sein. Und was passiert dann? Zahlen Arbeitgeber oder Kunden nur noch für eine Stunde? Millionen von Menschen würden damit die Einheit verlieren, mit der ihre Leistung gemessen und vergütet wird. Was passiert mit der Arbeit, die zwar komplett automatisch erfolgt, aber in der Verantwortung von Mitarbeitern liegt? Die Vorstellung, wir könnten alle am Strand liegen und nur hin und wieder nachschauen, ob die KI alles richtig für uns macht, mag für manche verlockend klingen. Ein Controller könnte aber überlegen, ob man sieben von acht Mitarbeitern einspart. Genauso weiß der Controller aber, dass der Kunde ihm für diese Arbeit nur noch ein Achtel bezahlen könnte… 

Es gibt also viele Gründe, schnell über eine Lösung nachzudenken, die funktioniert.  

Sam Altman, Mitgründer von OpenAI, sagte vor Kurzem, dass ‚einige Veränderungen‘ für den Gesellschaftsvertrag notwendig sein werden. „Ich glaube, dass die gesamte Struktur der Gesellschaft selbst in gewissem Maße zur Debatte stehen und neu gestaltet werden muss“, meinte er in einer Diskussionsrunde. Auf Deutsch: Wer verhindern möchte, dass die Zahl der Arbeitsplätze und der Umsätze um sieben Achtel schrumpft muss schnell ein intelligentes Modell für die Bezahlung menschlicher Arbeit entwickeln.  

In den letzten vierzig Jahren ist die Produktivität von Industrienationen im Durchschnitt um das Vierfache gestiegen. KI wird die Produktivität in vielen Bereichen um das Fünf- bis Zehnfache steigern – und das innerhalb weniger Jahre. Es braucht also Konzepte, um diese Entwicklung zu gestalten. Das so oft diskutierte bedingungslose Grundeinkommen scheint vielen weltfern und abstrakt. Aber irgendeine Lösung muss her. Denn mit jedem Automatisierungsschritt der KI werden nicht mehr Menschen vor Ort bezahlt, sondern Softwareunternehmen in Kalifornien. Der Unternehmer mag sich freuen, weil es günstiger ist. Volkswirtschaft und Gesellschaft funktionieren so aber nicht.  
 
Dabei hat die KI-Industrie selbst schon eine Lösung für die Berechnung und Bezahlung von Arbeit entwickelt, das viele Probleme lösen würde. Es wurde nicht für Menschen entwickelt, sondern für die KI selbst, aber es eignet sich hervorragend, um die Arbeit von Menschen zu messen und zu belohnen. 

In der Welt der KI gibt es Einheiten, mit denen Arbeit gemessen, verrechnet und vergütet wird. Sie heißen Tokens. Vereinfacht gesagt sind Tokens Faktoren, Elemente einer Gleichung mit Variablen. In der Welt der künstlichen Intelligenz kommen zwei Arten von Tokens zum Einsatz:  

1. LLM-Tokens: Dies sind die grundlegenden Texteinheiten, die ein Large Language Model (LLM) verarbeitet. Ein Token kann ein Wort, ein Teil eines Wortes oder sogar ein einzelnes Satzzeichen sein. Und wenn es nicht um Sprache geht können es Teile von Bildern, Musik oder anderen Inhalten sein. Wenn ein LLM Text ‚liest‘ oder ’schreibt‘, tut es dies Token für Token. KI arbeitet nie mit dem Text oder dem Bild selbst, sondern übersetzt alles in Tokens – und dann wieder zurück.  

2. Vergütungs-Tokens: Dies sind die ‚digitalen Münzen‘, mit denen KI-Dienste abgerechnet werden. Sie repräsentieren den Rechenaufwand und damit die Kosten für die Nutzung von KI-Systemen. Bei manchen Tools wie ChatGPT oder Claude werden keine Tokens gekauft, sondern Abos, die eine bestimmte Menge von Tokens enthalten. Wenn diese aufgebraucht sind, muss man mehr kaufen.  

Vergütungs-Tokens sind eine Art Paket aller Faktoren, mit denen die KI-Industrie Leistung bestimmt: Prozessornutzung und Speicherbedarf, Energiebedarf und Modellkomplexität. Diese Faktoren bestimmen den Preis – von den Kosten der ‚Zutaten‘ wie Energie und Prozessoren bis zum geplanten Gewinn des Unternehmens. Tokens ermöglichen eine bessere Vorhersagbarkeit von Ressourcenbedarf und Kosten und bieten Flexibilität bei der Handhabung unterschiedlicher Aufgabenkomplexitäten. In jedem Vergütungstoken steckt eine Art Vollkostenrechnung für KI-Arbeit. Tokens erfassen also viel genauer, was eine Arbeit ‚leicht‘ oder ‚schwer‘ macht – oder ‚billig‘ oder ‚teuer‘.  

Tokens sind damit menschlichen Vergütungssystemen weit voraus – und wir können von ihnen lernen. Da die Vergütung von menschlicher Leistung nach Stunden und Minuten in Zukunft nicht mehr funktionieren wird, können Tokens eine neue Einheit für die Messung und Vergütung menschlicher Arbeit werden. Dafür müssen Tokens entwickelt werden, die alle Aspekte in einem Paket vereinen, die menschliche Arbeit ausmachen.  

Das wichtigste Argument für eine ‚Tokenisierung‘ von Arbeit: Das System ist für Finanzmärkte nachvollziehbar. Tokens lassen viel genauere Auswertungen und Prognosen zu Kosten, Margen und Ergebnispotenzialen von Unternehmen zu. Tokens ermöglichen, Leistungen im KI-Zeitalter besser zu vergleichen. Soziale Komponenten wie beispielsweise gesundheitliche Einschränkungen lassen sich in die Tokens mit einberechnen. Tokens könnten in verschiedenen Stufen immer wieder angepasst werden, während andere, beispielsweise zur Berechnung von Renten, festgeschrieben sind. Und vor allem haben Unternehmen ein intelligentes Werkzeug, ihre Dienstleistungen anzubieten und in Rechnung zu stellen. Das Mißtrauen, ob Unternehmen die Arbeit einfach mit KI bewältigen ist unbegründet, denn KI ist als Faktor im Token enthalten. 

Genau wie in der Welt der KI sollte es viele Tokens für menschliche Arbeit geben, mit unterschiedlichen Berechnungssystemen, die miteinander konkurrieren. Länder und Berufsgruppen können eigene Tokens entwickeln – ein gesunder Wettbewerb um die Qualität von Tokens und damit Berufsgruppen, Standorten und Arbeitgebern entsteht.  

Eine Tokenisierung menschlicher Arbeit sollte von Experten zum Thema Arbeit und Vergütung aus der ganzen Welt angepackt werden. Das Ergebnis: Ein System, mit dem soziale Gerechtigkeit und Wettbewerbsfähigkeit für Menschen, für Unternehmen und Nationen viel besser abgebildet wird. Die Tokenisierung der Arbeit ist also ein spannender, intelligenter Schritt für die Marktwirtschaft. Wir sollten bald damit beginnen. 

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