Leadership & Karriere Wenn eine Kultusministerin Autos baut 

Wenn eine Kultusministerin Autos baut 

Während sie das damals munter angeregt hatte, musste sie im Wahlkampf 2022 gleichzeitig an anderer Stelle dringend einen Fehler ausmerzen. Hundertfach hatten ihre Anhänger Plakate ihrer Kandidatin im Wahlkreis Hannover aufgehängt, auf denen stand, dass sie „für Niedersachen“ antrete. Das „s“ aus dem Namen war verschwunden und keiner hatte es gemerkt, bis die Dinger schließlich hingen. Ich füge jetzt mal hinzu: Bei VW hat lange auch keiner gemerkt, dass es mit vermurkster Software, klobigen Design und Mondpreisen nichts werde mit der E-Mobilität. 

Als Julia Willie Hamburg dann mit einem beachtlichen Ergebnis gewählt war und auch die Koalitionsverhandlungen erfolgreich überstand, machte Weil sie zu seiner Stellvertreterin und nahm sie mit in den VW-Aufsichtsrat, von dem wahrscheinlich kein Teilnehmer dementieren wird, wenn wir ihn an dieser Stelle eine Schlangengrube nennen: Vier Vorstandschefs in sieben Jahren zeugen jedenfalls von Handlungsfreudigkeit dieses Gremiums.  

Dorthinein zog die Grüne, die an sich ein Vorbild ist, weil sie schon mit 27 als jüngste Abgeordnete in den Landtag gerückt war. Autobau und Wirtschaft sind aber eben nicht ihre Kernkompetenz. In Reden hat sie sich in jüngster Zeit mehr zur „Abschottungspolitik“ der EU gegen Migranten geäußert und sie kritisiert.  Sie hat sich „für gute Einwanderungsstrukturen“ ausgesprochen, will eine „demokratische Schulstruktur“ einführen und „Freiräume für innovative und zukunftsorientierte Schulentwicklung“ schaffen. All das ist ihr Job. Volkswagen aber eben auch – nur hat sie sich über Wirtschaft und das, was ihr da vorschwebt, ,n den vergangenen Monaten nicht ausgelassen. 

Einige hatten das bei ihrer Wahl in den Aufsichtsrat vorhergesehen. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hatte sogar mit einer Klage gedroht, wollte die Abberufung von Julia Willie Hamburg aus dem VW-Aufsichtsrat gerichtlich durchsetzen lassen. Die Aktionärsschützer argumentierten vor zwei Jahren damit, dass die grüne Politikerin nicht die erforderlichen beruflichen Qualifikationen für den Kontrollposten besitze. Am Ende hatten die Aktionärsschützer aber nur gebrüllt und nicht gebissen. Von einer Klage ließen sie jedenfalls ab. 

VW hat inzwischen die Tarifverträge gekündigt, in denen unter anderem die seit drei Jahrzehnten geltende Beschäftigungssicherung geregelt ist. Finanzchef Arno Antlitz hat nachgerechnet und spricht davon, dass auf dem europäischen Automarkt jährlich zwei Millionen Fahrzeuge weniger verkauft würden als vor der Pandemie – auf VW entfalle davon ein Viertel. Analysten glauben, dass deswegen zwei bis drei Werke schließen müssten. Die meisten stehen im ganz realen Niedersachsen – mit „s“ übrigens. Ist das Julias Verantwortung? Ich finde: ein bisschen schon. 

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