Leadership & Karriere VW ist nicht allein. Deutsche Top-Konzerne schicken zehntausende Kollegen nach Hause  

VW ist nicht allein. Deutsche Top-Konzerne schicken zehntausende Kollegen nach Hause  

Autoindustrie im Umbruch: Von VW bis Bosch

In der Autoindustrie stehen insgesamt die Zeichen schon länger auf Sturm. Beim Autozulieferer ZF Friedrichshafen und anderen renommierten großen Mittelständlern fordern die Umwälzungen auf vielerlei Ebenen ihren Tribut. Unter den Gründen, die die betroffenen Unternehmen meist nur hinter vorgehaltener Hand nennen, finden sich EU-Regulierung (“Verbrenner-Aus”), bundesdeutsche Bürokratie und völlig verfehlte Verwaltungsvorschriften ebenso wie steigende Lohnzusatzkosten und hohe Steuern. Viele Unternehmen bauen unter dem Strich gar keine Kapazitäten ab – sie entstehen jetzt nur halt woanders. Der frühere Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, nicht erst seit seinem Ruhestand ein Freund deutlicher Worte, fasst zusammen: „Deutschland richtet seine eigene Industrie zugrunde. Das werden andere Länder begrüßen, aber nicht kopieren”, so der Wirtschaftswissenschaftler unlängst in einem NZZ-Interview: „Der Dirigismus, den die EU mit ihrem Verbrennerverbot exerziert, passt nicht zur Marktwirtschaft. Und der Umweltnutzen ist nicht vorhanden.” Die EU-„Taxonomie”, die von der Brüsseler Verwaltung aus festlegt, was als nachhaltig zu gelten hat und was nicht, besteht den Zusammenprall mit der Realität nicht. Das sieht Sinn als Hauptursache für die gegenwärtige Deindustrialisierung, besonders die Probleme der Autohersteller. „Elektroautos sind nicht CO2-frei, wie die EU behauptet. Mit der Batterie trägt jedes Auto einen schweren CO2-Rucksack, und der Auspuff ist zwar nicht am Auto festgemacht, steht aber meistens ein paar Kilometer weiter im Kohlekraftwerk. Das Verbrennerverbot hat Deutschland zusammen mit anderen energiepolitischen Sünden in die Deindustrialisierung getrieben.” 

Ganz so weit ist es noch nicht, aber die Zahl von 14.000 Stellen, die ZF Friedrichshafen bis Ende 2028 nicht mehr braucht, ist der momentan höchste Abbauwert. Zwar verspricht der Vorstand, dies möglichst sozialverträglich zu organisieren, aber das ändert auch nichts an den harten Fakten. Viele Produkte des Antriebsspezialisten und Stoßdämpferherstellers vom Bodensee lassen sich im Ausland günstiger herstellen – auch aus den oben genannten Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich der Hersteller liegen. Ähnlich wie bei VW erkannte der ZF-Vorstand schon länger, dass die bisherige Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland, rund 54.000, nicht zu halten sein würde. Die etwas verklausulierten Andeutungen führten allerdings seinerzeit nicht zu großen Protestaktionen, die nun ins Haus stehen. Die Gewerkschaften machen mobil für den Erhalt deutscher Standorte. Bis 2028 ist es zudem noch eine Weile hin. Mag sein, dass manches EU-Vorhaben bis dahin noch in der Versenkung verschwindet, und sich auch in Deutschland gemächlich der Wind dreht. 

Darauf kann und will man bei Bosch allerdings nicht warten. Der weltgrößte Autozulieferer überhaupt muss sich zur Hälfte neu erfinden, wenn Verbrennermotoren tatsächlich ihrem Ende entgegengehen. Ähnlich wie beim Getriebespezialisten ZF hat der Tüftlerkonzern aus Stuttgart vieles im Angebot, was der Steuerung von herkömmlichen Antrieben dient. Teile und Verfahren, die ein Elektromobil nicht braucht. Und die Elektrosparte des Unternehmens allein kann nicht so schnell wachsen, dass sie den Niedergang der anderen Technologien ausgleichen könnte. Bei Bosch stehen weltweit etwas mehr als 3000 Arbeitsplätze zur Disposition. Das klingt angesichts von rund 130.000 Beschäftigten hierzulande nicht nach so viel, etwa im Vergleich mit ZF Friedrichshafen. Den Sparmaßnahmen in einigen Weltgegenden und der Heimat stehen aber gewaltige Investitionen etwa in Asien gegenüber – man will dort sein, wo die Kunden sind. Und da werden dann auch neue Arbeitsplätze aufgebaut. Mit Kritik an Politik und Verwaltung in Deutschland hält man sich bei Bosch zurück, wie auch bei ZF und vielen anderen Unternehmen. Dass die hiesigen Verhältnisse aber eine Rolle spielen bei der Auslandsstrategie, das dürfte kaum zweifelhaft sein. 

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