Life & Style Lasst den Nomaden in Euch raus 

Lasst den Nomaden in Euch raus 

Im fernen Kasachstan haben die Welt-Nomaden-Spiele begonnen. Was hat das mit uns zu tun? Jede Menge.  

Hi Punks, jetzt ist auch der letzte zurück, Ferien finito, summer is over, wir werden wieder sesshaft. Wir zähmen den Nomaden in uns. Treffe ich Eure Vibes? Meine waren so, deswegen kommt „Work hard“ heute live aus Kasachstan. Dort haben Sonntag die „World Nomad Games“ begonnen. Die Kasachen lassen den Nomaden raus.  

Die Turkvölker messen sich im Kokpar, (auf deutsch Ziegenpolo = kopfloser Ziegenkörper wird von zwei Mannschaften zu Pferde übers Spielfeld gerissen); im Kusbegilik (Adler muss innerhalb von drei Minuten eine Beute fangen, die an der Schnur gezogen wird); im Beige (Querfeldein-Pferderennen über bis zu 80 Kilometer); im Tenge Ilu (Reiter muss aus vollem Galopp sich aus dem Sattel hängen und eine Münze in einem Säckchen von einem Sandhäufchen am Boden aufnehmen, stürzt er, muss er wieder aufsitzen und zum Ende reiten). Letztere Disziplin gibt es auch mit Mädchen, dabei muss der Reiter im Galopp einen Kuss an eine ebenfalls reitende Frau verteilen. Verfehlt er sie, darf sie ihm eins mit der Gerte überziehen. Leibesübungen starker Männer sind zu sehen, es wird gerungen und Bogen geschossen.  

Westlich akademisch ausgebildete Feministinnen und Tierschützer finden die Spiele voll daneben, was die Unesco aber nicht hindert, sie als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen. Ewige Kritiker sehen kriegerische Sportarten beschönigt, die nur übertünchten, dass sich die Stämme der Steppen einst im Wesentlichen abgeschlachtet haben. Und Politiker, die wir kennen, setzen sich im Gegensatz zu mittelasiatischen in der Regel nicht so gern in die VIP-Lounge, weil sie meinen, das Ganze sei der mühsame Versuch ehemaliger Sowjetrepubliken zu einer eigenen Identität zu finden. 

Ich sage: „Bullshit“. In uns allen steckt der Wettkampf, es ist die große Wette aufs Gewinnen, die uns antreibt. In uns allen steckt der Spieler, den der pure Spaß anlockt. In uns allen steckt ein kleiner Sozialist, der die Gemeinschaft der Gleichgesinnten liebt. In uns allen steckt die Sau, die raus muss. Wir sind mehr denn je Nomaden, weil die ganze Welt mit dem Jet erreichbar ist, weil Workation jeder macht, manchmal auch, weil wir keinen haben, der uns vermisst. Das Wurzellose nimmt Besitz von unserer DNA. Der Nomade in uns wächst mit jedem Schritt, mit dem wir Gewohntes verlassen. Wir sind in unserer Rastlosigkeit zu Hause.  

Wenn es schlecht läuft, kommen wir darin um. Wenn es besser läuft, bauen wir Brücken zwischen denen, die dableiben und sich vor dem Aufeinandertreffen mit anderen so sehr fürchten, dass sie die Grenzen hochziehen. Dann machen wir unseren Nomadenjob gut – auch ohne Ziegenpolo. Ich komme jetzt wieder, im nächsten Heft mehr zum Thema. Hoch die Kasachen. 

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