Leadership & Karriere Grünen-Beben: Warum der Traum von einer Öko-Volkspartei zerschellt ist

Grünen-Beben: Warum der Traum von einer Öko-Volkspartei zerschellt ist

Der Rücktritt des Parteivorstands nötig Respekt ab. Aber das Problem der Grünen besteht weniger im Personal als in der Ideologie.

Am Mittwoch haben die Grünen politischen Instinkt bewiesen: Der Rücktritt des Vorstands um Ricarda Lang und Omid Nouripour nach den verheerenden Landtagswahlergebnissen im Osten ist wie eine Opfergabe an die Wählerschaft. „Wir haben verstanden“, lautet die diesmal nicht nur floskelhafte, sondern mit einer Handlung unterlegte Botschaft. Während die FDP noch hin und her überlegt, ob sie die Koalition verlassen oder lieber doch bis zum letzten Tag dabei bleiben möchte und in der SPD nur Ungefähres zu hören ist über die zwischen Olaf Scholz und Boris Pistorius zu entscheidende K-Frage, wählten die Grünen eine überzeugende Vorwärtsstrategie. Das nötigt Hochachtung ab vor einer Partei, die in der jüngeren Vergangenheit ansonsten kaum etwas richtig gemacht hat.

Denn die Grünen sind eine Luxuspartei. Man kann sie sich leisten, solange die wirtschaftlichen Rahmendaten stimmen und das Land stabil wirkt. In solchen guten Zeiten, das war noch 2021 zu beobachten, wählen auch bürgerlich denkende Menschen die Öko-Partei, oft als moralische Abbitte für ihren nächsten Urlaubsflug oder den noch nicht abbezahlten SUV.

Die Zeiten aber sind andere geworden: Deutschland erlebt Firmenpleiten, große Konzerne ziehen ihre Arbeitsplätze ab und Investitionszusagen zurück, der Mittelstand ächzt unter wachsender Bürokratie und gestiegenen Energiepreisen. Das ist keineswegs alles die Schuld der Grünen – aber die Grünen sind jene Partei, die aus den vielen Krisensymptomen der jüngeren Vergangenheit am seltensten den Auftrag zu einem Kurswandel abgeleitet hat.

Eine wichtige Ausnahme gibt es immerhin: Die in weiten Teilen pazifistisch gestimmte Ökopartei, die noch im Wahlkampf Robert Habeck zurückpfiff, weil der Defensivwaffen in die Ukraine liefern wollte, hat nach dem russischen Angriff auf die Ukraine eine überraschende Verteidigungsbereitschaft entwickelt. Heute sind die Grünen gemeinsam mit der Union die entschiedensten Anwälte einer Aufrüstung der Ukraine auch mit Offensivwaffen.

Doch in wichtigen anderen Fragen verteidigen die Grünen liebgewonnene Ideologien gegen pragmatische Lösungen. Der Ausfall des russischen Erdgases wäre nicht dadurch kompensiert worden, aber immerhin hätte die Verlängerung der Laufzeiten der letzten drei Atomkraftwerke die Energielücke verkleinert. Doch sie wurden, in Übereinstimmung mit der Parteidoktrin, abgeschaltet. Und spätestens heute müsste die Bundesregierung die ökologische Machbarkeit von Fracking in der norddeutschen Tiefebene prüfen, wie dies ein Bundestagsbeschluss bis spätestens 2021 vorgeschrieben hat – aber stattdessen kauft der Bundeswirtschaftsminister ohne Rücksicht auf Umwelt und CO2-Emissionen Frackinggas aus den USA, das heruntergekühlt und verflüssigt und dann über den Atlantik transportiert wird.

Nach der Brandenburg-Wahl ermittelte Dimap, dass sich die Grünen nach Ansicht von 71 Prozent der Menschen zu wenig um Wirtschaft und Arbeitsplätze kümmern – das ist eine verheerende Bilanz für die Partei, die den Wirtschaftsminister stellt.

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