Life & Style „Ein einziger beladener LKW kann die Brücke zum Bröckeln bringen“ 

„Ein einziger beladener LKW kann die Brücke zum Bröckeln bringen“ 

Im November 2021 sackte ein Brückenteil ab – ein havariertes Rollenlager hatte zu dem Schaden geführt. Nach Untersuchungen musste die gesamte Brücke gesprengt werden, der Verkehr zwischen Frankfurt, Wiesbaden, Mainz und dem Rheingau suchte sich seither Wege durch Städte und Dörfer, insbesondere der Schwerlastverkehr auf Suchpfaden und über den Rhein verursachte dort schwere Schäden, und Staus auf anderen Autobahnen waren natürlich ebenfalls die Folge. Nach Investition von 225 Millionen Euro ist die neue Brücke inzwischen so weit fertiggestellt, dass der Verkehr auf verengten Spuren wieder läuft. Rund 80.000 Fahrzeuge nutzen die Verbindung täglich. Im kommenden Sommer soll laut Plan alles fertiggestellt sein. Gerade allerdings sorgte ein Erdrutsch beim Rückbau einer Baugrube dort erneut für Sperrungen.  

Bundesweit bekannt und berüchtigt ist die “Sauerlandlinie”, die Autobahn A45, wo die Rahmede-Talbrücke seit 2021 vollständig gesperrt und inzwischen gesprengt ist – eine Nervenbahn ist einfach gekappt. Lüdenscheid erträgt nun täglich allein 6.000 durchfahrende Lkw und eine Vielzahl an Pkw. In Leverkusen und Umland erfährt man seit vielen Jahren, wie verheerend Schwerverkehr wirken kann, die Rheinbrücke aus dem Jahr 1965 steht dafür nicht mehr zur Verfügung. Ausweichen auf die Güterbahn ist ein Lottospiel – auch 1.000 Bahnbrücken sind marode. Wobei ein Lkw, so Fachleute, die Brücke so belastet wie sage und schreibe 100.000 Personenwagen. Das Verkehrsaufkommen des Gütertransports hat sich seit den sechziger Jahren, als viele Brücken für 80 Jahre Lebensdauer geplant wurden, verdreifacht. Die Zunahme beschleunigte sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch noch. Bei den Hauptprüfungen alle sechs Jahre und einem einfachen “Brücken-TÜV” alle drei Jahre zeigen sich immerhin die schwersten Mängel, so dass Fachleute ein “Spontanversagen” der Struktur fast ausschließen können. Bei mancher Bestandsaufnahme zeigt sich allerdings, dass, wie zum Beispiel in Neckarsulm, ein einziger beladener Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen „die Brücke zum Bröckeln bringen könnte”, berichtete unlängst der SWR. Aufgeschreckt durch das Dresden-Desaster beeilen sich nun Kommunen und Landkreise, derartiges bei sich auszuschließen – und werden wohl zunehmend Brücken für den Schwerverkehr sperren. Hamburg machte damit schon am Tag nach dem Einsturz der Carolabrücke den Anfang. Die Folgen dieser Maßnahmen werden sich noch unangenehm bemerkbar machen. 

Sanierungen und Neubauten warten also bundesweit, und angesichts der Beispiele wird deutlich, in welchen Zeiträumen solche Vorhaben geplant werden müssen. Der aktuelle Stand der Sanierungen macht da wenig Hoffnung auf baldige Besserung. Denn während im Laufe der Zeit weitere Brücken zum sanierungsbedürftigen Bestand hinzukommen, allein durch Alterung oder Belastungen als Ausweichstrecken, stockt es beim Vorankommen mit den Reparaturen. 

Aktuell kommt es zu Kürzungen im Etat der bundeseigenen Autobahn GmbH, dabei wären Aufstockungen nötig. Wie Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, kürzlich sagte, steuert Deutschland auf “ein massives Problem in seiner Straßen- und Brückeninfrastruktur zu. Mit den geplanten Kürzungen im Etat der Autobahn GmbH von rund 20 Prozent müssten deutschlandweit über 100 Baumaßnahmen, darunter äußerst wichtige Brückenbauwerke, auf unbestimmte Zeit verschoben werden“. Der Zug fährt hier also in die Gegenrichtung: „Wir gehen sogar davon aus, dass es faktisch zu keinen neuen Ausschreibungen von Brücken- oder Erhaltungsprojekten mehr kommen könnte und teilweise Verträge kostspielig gekündigt werden müssen“. Und was heute nicht wenigstens geplant und ausgeschrieben wird, kann morgen nicht gebaut werden. Die komplizierten Zuständigkeiten tun ein übriges, und die Haushaltsführungen der Öffentlichen Hand lassen nicht ermitteln, wie viel Millionenschaden anderen Verkehrsträgern und Körperschaften entsteht, wenn man an einer wichtigen Stelle einen am Ende viel geringeren Betrag einspart. Was der Bund nicht ausgibt, zahlt dann ein Landkreis womöglich doppelt und dreifach. 

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