Life & Style Die Diät kommt von der Kasse: Ist das schon krank?

Die Diät kommt von der Kasse: Ist das schon krank?

Marius Müller Westernhagen sang: „Ich bin froh, dass ich kein ­Dicker bin, denn dick sein ist ’ne Quälerei.“ Trifft der Song von Marius nur ein Lebensgefühl? Oder ist er gar medizinisch ­indiziert? Darum geht es bei einem sich anbahnenden politischen Streit ­zwischen der Union auf der einen Seite und den Gesundheitsbehörden mit SPD-Minister Karl Lauterbach an der Spitze auf der anderen. Den Ausgang der Auseinandersetzung verfolgt eine ganze Industrie mit höchstem Interesse, unter ihnen Dutzende deutsche Start-ups, für die – je nachdem – eine goldene oder eine durchwachsene Zukunft in Sichtweite ist. Und wer will, sieht sich mal YouTube-Videos aus den 1980er- oder 1990er-Jahren an, die Deutsche in Fußgängerzonen zeigen. Da finden sich kaum ­extreme Schwergewichte. Was ist passiert? 

Bezahlen wir das? Oder nicht? 

Und worum geht es bei der Auseinandersetzung? Schlicht darum, ob Dicksein eine Krankheit und die entsprechende Therapie – das Abnehmen – auf Krankenschein möglich ist. Oder eben nicht. In anderen Ländern wie in den Niederlanden ist das so. In Deutschland, wo nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts mindestens ein Fünftel der Erwachsenen so viel Speck mit sich herumträgt, dass es schon den medizinischen Fachausdruck Adipositas verdient, wird dagegen die Therapie vom zuständigen Gremium, dem ­­Gemeinsamen Bundesausschuss ­(G-BA), als „Lifestyle“-Entscheidung ­abgetan. Sie ist damit bislang kein Fall für die Kasse.

Das Thema hat enorm Fahrt aufgenommen, seit Abnehmspritzen wie Wegovy oder Mounjaro den Markt überrollen, den Betroffenen die Kilos nehmen und den Herstellern ein Vermögen bescheren. Patienten spritzen sich das Zeug mit einem Fertigpen, der einem Stift ähnelt, einmal pro Woche unter die Haut. Der Wegovy-Wirkstoff Semaglutid wurde schon seit Längerem bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt – unter dem Handelsnamen Ozempic. Wegovy enthält denselben Wirkstoff in höherer Dosierung und wurde für Menschen mit Adipositas, also Fettleibigkeit, zugelassen. Als adipös gilt, wer einen Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30 erreicht. Selbst wenn der nicht mehr als Goldstandard gilt: Das ist schon krass. Hersteller Novo Nordisk ist seit der Markteinführung im Börsenhimmel. Mounjaro enthält den Wirkstoff Tirzepatid. Der funktioniert ähnlich und stammt vom Pharmariesen Eli Lilly, der damit seinen Aktienkurs um mehr als 50 Prozent in den vergangenen zwölf ­Monaten nach oben brachte. 

Auch mit den Preisen stimmt etwas nicht. Blickt man in die USA, heißt es da in einer Studie von „Economic Perspectives“ über die dortige Preisgestaltung: 936 US-Dollar kostet Ozempic pro Monat. Doch der implizite Nettopreis, vom Hersteller erhalten, liegt bei nur 290 USD. Bei Mounjaro ruft man monatlich sogar 1 023 US-Dollar auf, doch der Nettopreis liegt bei schlappen 215 USD. Und es kommt noch krasser: Eine Studie von ­Forschern der Yale ­University, des Londoner King’s College Hospital und von Ärzte ohne Grenzen schätzt, dass ein Ozempic-Monatsvorrat für eine Behandlung für schätzungsweise gerade mal 89 Cent bis 4,73 Dollar hergestellt werden ­könnte. Hier verdient sich jemand mit den „neuen“ Wundermitteln mehr als eine goldene Nase

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