Life & Style Die Schöffin: „Meine Fresse, ist das krass!“

Die Schöffin: „Meine Fresse, ist das krass!“

Erster Tag 

Der erste Tag meines ersten Prozesses als Schöffin beginnt so: Sicherheitscheck (wie am Flughafen). Dann rein ins Gebäude und eine Kaffeestation suchen, denn die Zeit drängt. Es riecht nach Möbelpolitur und Linoleum-Boden. Was als 6.OG bezeichnet wird, ist eigentlich das 5.OG – das bekomme ich ganz alleine nach ein paar Mal Treppe rauf und wieder runter heraus. Hetz. Muss noch in das Büro, die sogenannte „Geschäftsstelle“, IBAN-Nummer für die Entschädigung abgeben (pro Stunde weniger als Mindestlohn, ist ja Ehrenamt) und ein paar Sachen unterschreiben. Dann zurück zum Verhandlungssaal und ins „Beratungszimmer“. Vor dem Saal noch eine Sicherheitsschleuse. Halte meinen Schöffenzettel hoch (eine Art Freifahrtsschein) und darf durch ins Beratungszimmer, das den Charme einer Zelle hat. Nervös. Dann kommt mein Mitschöffe, wir stellen uns vor und gehen schnell zum „Du“ über. Er hat mehrjährige Erfahrung. Das hohe Gericht besteht aus dem vorsitzenden Richter, einem beisitzenden Richter (der noch im Verkehrsstau steckt) und uns beiden. Dazu die Verfahrensbeteiligten: Angeklagte, Mitangeklagte, Zeugen.

Als beide Richter schließlich anwesend sind, machen wir uns auf in den Saal. Wir betreten ihn auf einer „Empore“, alle müssen sich erheben – merkwürdiges Gefühl. Ich habe mich entschieden, so zu sitzen, dass ich ca. 50 cm Luftlinie Abstand zum Angeklagten habe. Ob das schlau ist? Ich habe schon bessere Entscheidungen getroffen. Mist. Bei der Vereidigung (rechte Hand erhoben) lese ich den Text ab und unterschreibe anschließend das Vorgelesene. Ich hadere ein, zwei Minuten mit dem Satz: „So wahr mir Gott helfe.“ Lese ich aber mit vor – finde ich doch passend.

An diesem Tag gibt es nur 30 Minuten Anklageverlesung – wobei ich mich frage, wie man 30 Minuten für die Verlesung der Anklage braucht. Man braucht sie! Wir bekommen den Anklagesatz nicht schriftlich, müssen also das Gehörte aus der Erinnerung mitschreiben. So komme ich wieder ans echte Schreiben. Kann meine eigene Handschrift nicht lesen. So wie immer. Außerdem müssen wir Schöffen noch vereidigt werden. Alle Staatsdiener sind in schwarzen Roben! All das erzeugt Ehrfurcht bei mir, echte Ehrfurcht und Respekt. 

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