Die Schöffin: Die Justiz ist blind. Und das ist gut so

Mir geht das ganze Gehörte nahe. Alle Positionen aller Beteiligten. Es bleibt mir nicht nur in den Kleidern hängen. Eines ist mal klar: Diese unwirklich erscheinende Zeit wird das Opfer ihr ganzes Leben verfolgen. Es ist gleichzeitig Alltag – es passiert irgendwo jeden Tag. Und es ist das Gegenteil von meinem Alltag. Vor allem finde ich, dass es nur erschreckend wenige Millimeter sind, die mich von so einem Abgrund trennen.

Das geht so schnell. Denke da an Familienmitglieder. Ich versuche nicht mehr zu jammern, es geht mir doch echt gut. Erziehung, Bildung, Stabilität: Das ist unser Normal – mein Normal, aber eben meins und nicht immer das der anderen. Macht mich sehr nachdenklich. Frage mich: Wie schnell rutscht man wirklich in diesen Scheiß?

Mich hat dieser Prozess definitiv verändert, meine Sichtweise, meine Einstellungen. Ich habe großen Respekt vor unserem Justizsystem, vor dem enormen Wissen der Anwälte, Richter, Staatsanwälte. Vor unseren Gerichten. Gut, dass wir so ein Justizsystem haben. Gut, dass bei uns jedes Handeln gegen unser geltendes Recht und Gesetz spürbare Konsequenzen hat. Sichtbar, begründet und nachvollziehbar für das Volk. Spürbar für die, die etwas angerichtet haben. Und doch habe ich noch immer nicht die Antwort auf die Frage gefunden: Wie hätte ich als Opfer von Überwachung, Prügel, Gewalt reagiert, wie hätte ich gehandelt?