Life & Style Die Schöffin: Das alles für Geld?

Die Schöffin: Das alles für Geld?

Fünfter Tag

Heute geht es einer der Angeklagten gesundheitlich nicht gut – sie sieht blass aus. Die anderen blicken wieder unbeteiligt. Es riecht wieder nach viel Discounter-Deo. Die Damen sind sorgfältig gestylt, die Herren rasiert und gepflegt. Bei einem Angeklagten, dem mit der Baseballkappe, kann ich nicht erkennen, ob er während der wieder sehr schleppenden Befragung des Opfers schläft.

Das Opfer betritt erneut hübsch und sorgfältig gestylt den Saal, in Begleitung ihrer Therapeutin. Sie wirkt noch verängstigter als bei der letzten Vernehmung. Heute kommen schleppende Infos zum Lebenslauf des Opfers. Keine abgeschlossene Berufsausbildung, somit auch keinen Beruf. Aushilfsjobs. Immer wieder Geldnot.

Es wirkt, als traue sie sich kaum, Antworten zu geben. Vielleicht aus Scham. Irgendwann hat sie sich von einem der Angeklagten überreden lassen, es mal zu probieren. Aussicht auf gutes Geld und vor allem die Zusage, jederzeit aussteigen zu können! Sie wird auf’m Kiez angelernt. Verdienst bis zu 350 Euro pro Nacht. Will wieder raus, darf aber nicht. Eine Vertraute empfiehlt ihr das Frauenhaus – aber wie soll sie da unbemerkt hinkommen?

Für mich fügt sich allmählich das Puzzle zusammen. Sie ist eine hübsche junge Frau, so leichtgläubig, so naiv. In rasend kurzer Zeit: versklavt, überwacht, schnell verprügelt. Eben noch ein normales Leben und dann in die Prostitution gezwungen. Man sieht es dem Kiez nicht an, was hinter den Türen und Mauern tatsächlich passiert. Es sieht von außen etwas heruntergekommen und doch normal harmlos aus. Niemand ahnt, was hinter den Türen und Wänden wirklich abgeht. So nah und irgendwie auch ganz weit weg von meinem Leben.

Wäre mir das auch so passiert? Von wegen einfach abhauen – ich bin selbst erschrocken, dass abhauen hier echt überhaupt nicht drin ist. Es bedeutet den sicheren Tod durch Verprügeln. Und dann die Konsequenzen für die Familie des Opfers. Hätte ich den Worten des Angeklagten vertraut, wieder aussteigen zu können? Ich brauche mehr Antworten. Was wird uns die beste Freundin des Opfers berichten? Wie hielten die beiden heimlich Kontakt? Was um Himmels willen soll das Urteil sein, an dem ich dann beteiligt bin?

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