Innovation & Future Warum ich die deutsche Angst vor der blauen Welle nicht teile

Warum ich die deutsche Angst vor der blauen Welle nicht teile

Überall in Europa gewinnen rechte Politiker Stimmen dazu. Der vielbeschworene „Rechtsruck“ – er ist mit der Europawahl Wirklichkeit geworden. Der Startup-Verband sorgt sich deswegen. Seine Anführerin Verena Pausder warnt vor „destruktiven Kräften“. Ich habe in vielen dieser Länder gelebt und habe keine Angst vor dem, was jetzt passiert.

So – das ist er jetzt also, der viel beschworene und angstvoll erwartete „Rechtsruck“. Europa hat gewählt, und er hat stattgefunden. Die blaue Welle rollt durch Städte und Länder: Berlin, Wien, Rom, Paris, die Reporter überschlagen sich, als sei es eine tödliche Dosis Strahlung, die da über Europa hinwegnebelt.  Verena Pausder, Vorsitzende des Startup-Verbands, sagt es so: „Der hohe Stimmenanteil für populistische Parteien ist absolut erschreckend und zeigt, was für destruktive Kräfte auf unsere Demokratien wirken.“ Ehrlich gesagt: Ich teile die deutsche Angst, die auch eine spezifische Angst der deutschen Journalisten ist, kein bisschen. Ich habe in diesen Rechtsruck-Ländern gelebt und kann versichern: Wir werden klarkommen miteinander.

Spezifische Angst der Journalisten

Wer den demokratischen Wechsel als eine Machtverschiebung ohne Blutvergießen begreift, kann unaufgeregt feststellen: Nach der Ära der Linken in Deutschland, der es einst darum ging sich von der Kriegsgeneration zu verabschieden, nach der Ära der Konservativen, die den Wohlstand bewahren und mehren wollten, nach den Triumphen der Grünen, die die Verantwortung für diesen Planeten in den Mittelpunkt stellten, kommen jetzt die Welterklärer an die Macht, die Abgrenzung nutzen, um verloren gegangenes Selbstbewusstsein bei ihren Wählerinnen und Wählern zu heben. Es ist kein Putsch und keine Revolution, die sie anzetteln, sondern es ist das nächste Politikmodell, das jenes ablöst, von dem viele die Nase voll haben. Ich auch. Das Modell dieser neuen erfolgreichen Rechten ist bekannt und funktioniert immer dann gut, wenn die Unsicherheit groß ist. 

Und dass sie gerade groß ist, bezweifele ich nicht: Auch ich habe die endgültige Antwort auf Krieg oder Frieden, auf lieber mit KI oder besser ohne, auf Öko zu Lasten von Wohlstand, auf Grenzen öffnen oder Grenzen schließen nicht gefunden. Ich traue allerdings auch keinem, der sagt, er wisse die Antwort. „Für jedes komplexe Problem, gibt es eine einfache Antwort, und die ist falsch“, sagt Umberto Eco, Schriftsteller, Europäer und Italiener und mir, der ich mitunter in einem kleinen Dorf in Norditalien lebe, wo sie alle Meloni wählen, schon deswegen grundsymphatisch.

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