Leadership & Karriere Toxische Chefs sind charmante und gewissenlose Geschichtenerzähler 

Toxische Chefs sind charmante und gewissenlose Geschichtenerzähler 

Der Psychiater und Therapeut Pablo Hagemeyer weiß, wie man sich gegen übergriffige Vorgesetzte zur Wehr setzt.

»Den Chef auch mal Erde schmecken lassen«

Pablo, was ist das überhaupt – ein „Toxic Leader“? 

Die Kombination Machiavellismus, Narzissmus, Sadismus und leichte Psychopathie ist als „dunkle Tetrade“ bekannt und in Unternehmenshierarchien sehr Erfolg versprechend. Eine weltweite Studie mit fast 10000 Befragten ergab, dass mehr als zwei Drittel aller Führungskräfte sehr hohe Narzissmus-Werte aufweisen – Männer noch mehr als Frauen. Solche Menschen werden verehrt und gefördert, aber irgendwann kann diese Stimmung kippen. Als Untergebener hasst man diese Person, von der man aber nun emotional oder finanziell abhängig ist. So entsteht eine Traumabindung, aus der man sich kaum mehr lösen kann. 

Du vermarktest dich selbst als „der nette Narzisst“. Wenn du Abteilungsleiter wärst, hätten wir es unter dir also nicht leicht?

Ich war ja mal Oberarzt und habe das sehr genossen, ich habe tatsächlich einen kooperativen Führungsstil gehabt. Ich habe aber gemerkt, dass die anderen mit mir Autorität und Unterwerfung verbanden – was mir unangenehm war. Es stimmt also schon: Die Rolle formt einen auch. 

Toxische Chefs sind gute Selbstdarsteller. Kann man sie daran schnell erkennen? 

Narzisstische Führungspersonen eignen sich schnell Modethemen an und punkten dann immer wieder mit denselben oberflächlich behandelten Aussagen. Mitarbeiter können sich wehren, indem sie sich selbst fachlich informieren und die Blender behutsam demontieren, indem sie ihr „Wissen“ vor anderen challengen. 

Häufig wachsen toxische Chefs auf dem Rücken einer Person, die sich aufopfert?

Man darf das nicht sagen, aber da kursiert der Begriff der „Vize-Fotze“. Meist ergänzen Frauen eine pseudograndiose Führungsfigur, opfern sich vielleicht sogar auf wie eine Mutter Teresa.

Und wenn Chefs emotional oder sexuell übergriffig werden?

Das ist in mindestens 70 Prozent der behaupteten Missbrauchsfälle ernst zu nehmen. Meist sind es Frauen, die in solche Abhängigkeitsverhältnisse rutschen. Sie ziehen selbst auch Vorteile daraus, geraten dann aber in eine emotionale Bindung und trauen sich nicht, Nein zu sagen. Dafür schämen sie sich brutal, sodass es mehr als ein Jahr dauern kann, bis sie sich dazu überhaupt äußern können. Wenn sie es dann öffentlich machen, kommt es oft zu einer erneuten Entwertung, weil man ihnen nicht glaubt. Und gleichzeitig wird der toxische Chef nicht angenehmer. Der echte Täter weiß ja, wie schwer es ihm nachzuweisen ist.

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