Life & Style Telenovela im Netz: Oder wie sich Influencer bekriegen – und was daran alle so toll finden.

Telenovela im Netz: Oder wie sich Influencer bekriegen – und was daran alle so toll finden.

Aha. Influencer also. Wie toll. Bevor wir uns über die Irrungen und Wirrungen von Anissa Baddour, besser bekannt unter ihrem Netzpseudonym „Anni The Duck“ beugen und das aktuelle Theater mit Antonia Staab betrachten, die im Web als „Reved“ unterwegs ist, erst mal zur Sache.

2022 war es im fernen Asien noch ein sehr sicheres Zeichen dafür, dass ein heißer Trend den Mainstream erreichte, wenn einem die Steuerfahndung hinterherjagte. Damals ritten die Fahnder in den Morgenstunden bei Social-Media-Influencern ein, die von Marken dafür bezahlt werden, Produkte online bei Heerscharen von Followern zu bewerben. Im Fokus: die chinesische Fashionqueen „Viya“, die per Live-Streaming unterwegs war. Deren Strafe: Stolze 210 Millionen US-Dollar, weil sie ihr Einkommen nicht angegeben hatte, wie der Economist pikiert schrieb. Damals machte die Branche zwölf Prozent aller chinesischen Online-Verkäufe aus. Heute liegt der Wert sicher viel höher.

Nun stellt sich die Frage: Sind alle die Influencer gekommen, um zu bleiben? Oder hat sich der globale Megatrend schon wieder abgekühlt, wie es ein Insider vermutet? Denn wer einem Influencer, sagen wir 10.000 Euro dafür bezahlt, dass der seinen Followern einen rabattierten Firmencode ans Herz legt und der Konzern, der die „Response rate“ fein trackt, dann baff feststellt: Oha, die kaufen ja nicht so wie von uns angedacht und der digitale Werber dann ein paar Wochen später das Spiel noch einmal spielen muss, weil der sich in seinem Vertrag daran band – nur jetzt ohne Geld für ihn oder sie: Ist dann der Zenit erreicht? Oder ist das Blödsinn, weil diejenigen, die mehr als eine Million Menschen, egal auf welchem Absatzkanal um sich scharen, mit ihrer Arbeit wirklich, wirklich reich werden?   

Alarm im Netz
Zurück zu Madame Baddour. Die lieh, laut der „Berliner Zeitung“, im Film „Garfield – Eine Extraportion Abenteuer“ der Figur Olivia ihre Stimme. Beim Start des Films Anfang Mai begann das große Gezeter. Die „Berliner Zeitung“ dazu weiter: „Baddours Ex-Freundin Antonia Staab griff während eines Livestreams auf der Plattform ´Twitch´ Vorwürfe auf, die wenige Stunden zuvor von der Streamerin Mowky auf X veröffentlicht wurden.“ Darin heißt es: „Ich werde nicht mehr zulassen, dass eine so skrupellose und selbstsüchtige Person weiterhin über mich Macht hat. Jahrelang wurde ich emotional missbraucht, ausgebrannt, manipuliert und instrumentalisiert. Ich habe Übergriffe, Missbrauch und Tierquälerei erlebt. Seit Monaten bin ich Opfer einer brutalen Schmierkampagne und Kontrollversuchen.“ Sie Mowky, litt wegen Ms. Baddour unter „einer Nervenkrankheit“. Dazu kämen Panikattacken und Ohnmachtsanfälle. Und weiter: „Trotz Therapie, Medikamente und Selbsthilfe habe ich mich … nur noch schwer über Wasser halten können.“ Starker Tobak im Reich der Propagandisten. Die Ex von Baddour, Frau Staab legte blitzschnell nach. Der Gipfel ihrer Aussage: Madame Baddour hasse ihre eigene Followertruppe und bezeichne die sogar als „eklige, schwitzige Scheißfans“. Danach war Vollalarm im Netz und alle donnerten durcheinander. Mal für, mal gegen die eine und die andere. Herrliches Treiben halt!

Wenn der Job endet …

96 Stunden später dann der Kotau in der herzigen, volldigitalen Telenovela: fast 75 Minuten lang schüttete Baddour der Socialgemeinde ihr Herz aus, erklärte und versuchte so auch, ihre Einkommensfelle zu retten, die ihr bei der eklatanten Schreierei aus Nullen und Einsen davonzuschwimmen drohten. Ohne Erfolg. Mehrere Hundert Stunden später dann das Ende vom Lied. Bei „X“ sagte die charmante Frau: „Aufträge sowie Werbe- und teilweise auch sonstige Vertragspartner für das laufende Jahr verloren zu haben“. Weiter sei sie „gebrochen und brauche Zeit“. Und jetzt sei auch mal Schluss als Content Creatorin. Puh.

Was soll das alles?

Aber was macht deren Arbeit eigentlich so wertvoll? Im „Journals of Retailing“ hieß es im Herbst 2023 dazu: „Mit dem Aufkommen von Social-Media-Plattformen und digitalem Marketing gibt es neue Möglichkeiten, eine Marke zu bewerben und viele Kunden auf der ganzen Welt anzusprechen. Modetrends kommen und gehen, und die Nutzungsrate digitaler Medien ist so stark und tadellos, dass die Kultur des Videobloggens schnell an Einfluss gewinnt. Die Urteile von Persönlichkeiten in den sozialen Medien haben einen so starken Einfluss, dass die Verbraucher sich auf jede Entscheidung freuen, die jene treffen.“

Und die Netzwerke von Influencern dringen in frische Zielgruppen vor – in der Regel sind das junge Käufer. Was hinzukommt, ist deren digitale Expertise, die bisherigen Markenbotschafter so nicht gelang. Ändert sich etwas bei TikTok oder Insta, stellen sich die jungen Markenbotschafter blitzschnell darauf ein. Dennoch gibt es auch heute noch eine Menge großer Brands, die auf deren Arbeit verzichtet. Weshalb? Wohl auch wegen der Möglichkeit einer massiven Eskalation zwischen Influencern, denn das Treiben kann eine Marke fix beschädigen. Auch ist der Einfluss auf die Qualität bei einem Schwarm von Freiberuflern schwieriger, als bei einem prominenten Kopf, der sich mit seiner Entourage aus Anwälten und Beratern brav an die Spielregeln hält.

Erfolg? Oder kein Erfolg?
Spannend ist auch die Frage nach dem Erfolg einer Kampagne, denn wie messen Profis jenen? Da gibt es die Firma „Launchmetrics“. Die sieht sich an, wie stark eine Marke wo gesehen wird. Egal ob Print oder auf Social. Gemessen wird dass dann im „media impact value“. Damit wird aufgezeigt, wie viel Geld eine Brand bezahlen müsste, um ein bestimmtes Maß an Aufmerksamkeit zu erlangen – was wiederum ein Indikator für den erwarteten Ertrag einer Marketingaktion ist. Am Ende zeigt sich, ob die Marke mit dem Geld, das man einer oder einem „ceWEBbrity“, abgeleitet von „celebrity“ gab denn nun besser fuhr, als mit einer klassischen Print-, TV-, oder Außenwerbekampagne. Und was machen wir denn nun noch mit Frau Baddour und Frau Staab? Da hofft die Community, dass eines Tages wieder himmlischer Frieden einkehrt. Das Gezänk muss ja nicht ganz so arg lange dauern wie der Dreißigjährige Krieg …

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