Green & Sustainability Ex-Eon-Aufsichtsrat zum AKW-Aus: „Mit Verlaub, das ist Unsinn“

Ex-Eon-Aufsichtsrat zum AKW-Aus: „Mit Verlaub, das ist Unsinn“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck steht politisch unter Druck, sein Ministerium habe die Öffentlichkeit falsch informiert, um den Atomausstieg Deutschlands zu besiegeln. Er verweist darauf, die Energie-Industrie sei mit ihm auf einer Linie gewesen. Dem widerspricht nun der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende von Eon im ntv-Interview.

ntv.de: Herr Kley, das Magazin „Cicero“ hat Dokumente veröffentlicht, die belegen sollen, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck entgegen seiner öffentlichen Zusicherung im Frühjahr 2022 die Frage des Weiterbetriebs von Kernkraftwerken nicht ergebnisoffen geprüft hat. Sie sind zwar vor zwölf Monaten bei Eon ausgeschieden, waren aber zu der Zeit Aufsichtsratsvorsitzender des Energieriesen. Wie stehen Sie zu den Schlussfolgerungen des „Cicero“?

Karl-Ludwig Kley: Was der „Cicero“ da herausgefunden hat, überrascht mich nicht. Es entsprach und entspricht voll und ganz meiner Wahrnehmung.

Worauf beruht denn Ihre Wahrnehmung?

Aus meinen Beobachtungen im Jahr 2022. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Mit Datum vom 7. März 2022 veröffentlichten Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium einen sogenannten Prüfvermerk, auf dessen Basis sie eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke nicht empfehlen könnten. Zusammengefasst steht da drin, dass erstens deren 4,4 Gigawatt Kraftwerksleistung keinen relevanten Beitrag zur Energieversorgung leisten würden. Und zweitens, dass aufgrund der regulatorischen und technischen Hindernisse die Laufzeitverlängerung gar nicht möglich sei. Mit Verlaub, beides ist Unsinn.

Wieso?

4,4 Gigawatt sind eine außerordentlich relevante Menge. Damit hätten zum Beispiel die CO2-Emissionen der Kohlekraftwerke um mindestens 15 Millionen Tonnen verringert werden können. Und die Stromkosten wären auch niedriger ausgefallen. Kernkraftwerke produzierten Strom für knapp unter zwei Cent pro Kilowattstunde (kWh), Gaskraftwerke mit gewissen Schwankungen für ungefähr das Zehnfache. Wenn das nicht relevant ist, weiß ich auch nicht weiter.

Aber was ist mit den regulatorischen und technischen Hindernissen?

Auch hier nur beispielhaft und in aller Kürze. Die Behauptung, zusätzliche Strommengen könnten erst mit frischen Brennstäben produziert werden, stimmte nicht. Der Betrieb im Winter 2022/23 konnte ohne frische Brennelemente erfolgen – was er dann ja auch während der dreimonatigen Verlängerung tat. Ein Betrieb von einigen weiteren Monaten wäre, zumindest beim Kernkraftwerk Isar, mit einem neu zusammengesetzten Reaktorkern möglich gewesen. Und dann hätte man bereits über neue Brennelemente verfügen können. Ein anderes Beispiel: Eine sogenannte periodische Sicherheitsprüfung hielten die Ministerien zwingend für notwendig. Das sehe ich völlig anders. Denn eventuelle Sicherheitsrisiken würden bei den sowieso laufenden kontinuierlichen Prüfungen sofort entdeckt werden. Sowohl relevante Vertreter der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit als auch der TÜV-Verband sind meiner Meinung; ich befinde mich also in bester Gesellschaft.

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