Life & Style »Trainierte Affen!«

»Trainierte Affen!«

Wenn Social Media keine Lust macht, sondern nur Last ist, wird das Ergebnis nicht besser, denn dann übernehmen dressierte Tierchen, sagt Daniel-John Riedl. Er erklärt Mittelständlern die wilde Welt, in der sie leben

Interview Oliver Stock

Daniel, bitte sag mir: Was soll ein solider Mittelständler – etwa aus dem Sauerland – um Gottes willen mit Social Media anfangen?

Nichts.

Ich dachte, du verkaufst denen das.

Ja, aber wenn sein Laden läuft, braucht er uns nicht. Der heimliche Weltmarktführer bei Metallinnenlegierungen für rechte Außenspiegel, wie es ihn in deinem Sauerland ja geben mag, braucht uns nicht, um sein Produkt zu verkaufen. Aber wenn er sich als modernes Unternehmen darstellen will, um zum Beispiel neue Mitarbeiter zu gewinnen, dann genügt es nicht, wenn „Ilse63“ auf Insta übers Weihnachtsessen postet. Oder am LGBTQ-Tag ihre Nachricht in Regenbogenfarben verschickt.

Wer ist „Ilse63“?

Ich rede von all den Top-Mittelständlern, die tatsächlich einen Weltmarkt beliefern und mit ihrem Spezialprodukt eine gesetzte Größe sind, aber wo das Marketing die Sekretärin vom Chef macht. Im Mittelstand ist Marketing oft nur eine Kostenstelle und nicht Profit Center. „Ilse63“ kann nur durch eine massive Steigerung der Effizienz, also durch die Automatisierung redundanter Arbeitsschritte glänzen. 

Aber wenn es mit „Ilse“ läuft, ist das doch auch gut.

Es kommt darauf an, in welcher Währung der Chef rechnet.

In Euro nehme ich an.

Auch Aufmerksamkeit ist eine Währung. Ich brauche zum Beispiel Aufmerksamkeit, wenn ich auf einem leer gefegten Arbeitsmarkt Personal finden will. Und da das in der Regel junge Leute sein sollen, muss ich da unterwegs sein, wo die unterwegs sind. Unter diesen jungen Talenten ist es zu 90 Prozent so, dass sie ihre Informationen via Social Media beziehen. Social Media ist von Algorithmen gesteuert. Das muss ich verstehen, um dort durchzudringen. 

Was braucht es dazu?

Als Erstes: Leute im Unternehmen, die dazu Lust haben. Verordnetes Social Media funktioniert nicht. Unternehmen sollten sich auch nicht zu sehr damit beschäftigen, Benefits in Aussicht zu stellen, damit sie Lust auf Social Media bekommen. Sie erhalten dann trainierte Affen. Wichtig ist, dass die Chefinnen oder Chefs das Marketing auf Social Media nicht als ein Bunte-Bildchen-Posten abqualifizieren nach dem Motto: Bleib mir bloß weg damit, meine Enkel gehen mir mit so was schon genug auf die Eier.

Sollen also Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Influencern werden?

Da bin ich kritisch. Denn das funktioniert nicht, wenn sie nicht wirklich authentisch sind. Alles anders ist eine Art Ghostwriting. Ich sehe immer wieder, wie das schiefgeht. Wir alle kennen bekannte HR-Personen zum Beispiel, die jahrelang Aushängeschild des Unternehmens waren. Sie verkörpern die Arbeitgebermarke auf attraktive Art und Weise. Und dann kommen andere und berichten, wie solche Berühmtheiten sie in Konferenzen zum Heulen gebracht haben. Marke und Mensch stimmen dann nicht überein. Es gilt auch im Netz die alte Weisheit: Äußere dich nur zu den Dingen, zu denen du auch etwas zu sagen hast.

Was sollen die Mitarbeiter im Netz denn dann posten, um auf ihr Unternehmen aufmerksam zu machen?

Maschinenbau zum Beispiel ist doch unfassbar spannend. Das „Do You Know How?“-Prinzip hat schon bei der „Sendung mit der Maus“ funktioniert. Ich glaube, es ist für viele Mittelständler ein echter Aha-Moment, wenn sie bemerken, dass gerade sie mit dem, was sie tun, unheimlich viel Wertvolles zu erzählen und zu teilen haben. Und wenn dann der Shitstorm kommt, weil wie neulich bei Ritter Sport das Russland-Geschäft in die Kritik gerät? Dann kann man einmal gegenhalten und es dann aushalten. Ich persönlich finde es schwierig, in einer komplexen Gemengelage von jedem und jeder immer den Gleichschritt zu fordern. Gleichzeitig: Wer sich öffentlich positioniert und präsentiert, muss auch mit Gegenstimmen leben. Zur Wahrheit im Social-Media-Geschäft gehört auch die Auseinandersetzung mit Scheiße.

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