Innovation & Future Deutsche Unternehmen knien sich bei der Forschung rein

Deutsche Unternehmen knien sich bei der Forschung rein

Was geben Unternehmen für Forschung aus? Die Beratungsgesellschaft EY hat die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit jener 500 Firmen unter die Lupe genommen, die weltweit am meisten investieren. Die Deutschen schneiden nicht schlecht ab, waren aber schon erfolgreicher.

Bei Forschungsausgaben kommen die stärksten Unternehmen weltweit aus den USA. Dort stiegen die entsprechenden Ausgaben der 169 Firmen, die es in ein Ranking der Beratungsfirma EY geschafft haben, im vergangenen Jahr um 13 Prozent auf jetzt 533 Milliarden Euro. Alle weiteren Länder und Regionen folgen mit deutlichem Abstand. In Japan steckten die Unternehmen 87 Milliarden in Forschung und Entwicklung (F&E). Deutschland liegt mit 75 Milliarden Euro auf Rang 3. Hierzulande stiegen die F&E-Budgets um sechs Prozent, wie die Untersuchung ergab, die EY auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel der Weimer Media Group am Tegernsee vorstellte.

Allerdings sinkt die Zahl der Unternehmen mit großen Budgets. Waren es aber 2018 noch 35 deutsche Firmen, die in der Weltrangliste der 500 auftauchten, so sind es 2023 nun nur noch 31. Gemessen an Deutschlands Größe und Bevölkerung liegen die einheimischen Unternehmen keineswegs abgeschlagen, im europäischen Vergleich schon gar nicht. Die Zahl der Firmen aus Asien unter den Top 500 ging stärker zurück.

Beachtlich erschien den Analytikern von EY vor allem die Tatsache, dass die Forschungsbudgets trotz weltweit widriger wirtschaftlicher Bedingungen nicht radikal zusammengestrichen wurden. „Auch in konjunkturell schwierigen Zeiten investieren Top-Konzerne weltweit in Innovationen und damit in ihre eigene Zukunftsfähigkeit“, sagt Henrik Ahlers, Deutschland-Chef von EY. „Dass die Budgets für Forschung und Entwicklung im vergangenen Jahr trotz des konjunkturellen Gegenwinds weiter kräftig erhöht wurden, ist auch auf den erbitterten Wettkampf um technologische Führerschaft zurückzuführen.“ Zwar stünden viele Unternehmen erheblich unter Druck und suchten nach Wegen, ihre Kosten zu senken. „Die Mehrheit widersteht aber der Verlockung, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu kürzen“, sagt Ahlers. Das betrifft besonders die Digital-Riesen und ihren Wettbewerb wie Alphabet, Apple, Meta und Microsoft, Chiphersteller wie Intel, und natürlich den US-Spitzenreiter Amazon. Wenig überraschend: Die Pharmaindustrie ist stark in den Top 500 vertreten. Aus Europa schafft es hier die schweizerische Roche unter die Top Ten der forschenden Firmen.

Aber auch in der Autoindustrie wird um einen Platz in der Zukunft gekämpft, indem man tüftelt und möglichst lukrative Ideen entwickelt. Der VW-Konzern schiebt sich hier weltweit auf Platz 8, einziges deutsches Unternehmen in der Top-Ten-Liga, die sonst von sieben US-Konzernen dominiert wird. 15,8 Milliarden Euro steckte VW 2023 in F&E, ein beachtliches Plus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Angesichts zahlreicher Unsicherheiten auf dem Autosektor scheint dieses Plus den Willen zu unterstreichen, in der Mobilität der Zukunft vorn dabei zu sein. Bei den inländischen Stars der F&E-Ausgaben finden sich denn auch die Wettbewerber BMW, Mercedes und Porsche in der Spitzengruppe. Dazu Bayer, Merck und BASF, und gleich auf dem zweiten Rang nach VW der Softwarehersteller SAP.

„US-Unternehmen haben im vergangenen Jahr ihren Vorsprung bei den Forschungsausgaben weiter ausgebaut und ihre Investitionen deutlich stärker erhöht als Unternehmen etwa in Deutschland, obwohl auch die US-Konzerne nur ein leichtes Umsatzwachstum und einen deutlichen Gewinnrückgang verzeichneten“, sagt EY-Deutschland-Chef Ahlers. „Damit droht die Schere zwischen den USA und Europa und Asien weiter auseinanderzugehen.“

Nun sind hohe Forschungsausgaben noch keine Garantie für erfolgreiche Produkte der Zukunft. Umgekehrt aber sinkt die Chance, auf den Märkten der kommenden Jahre und Jahrzehnte eine Rolle zu spielen, wenn zu wenig in neue Abläufe und Produkte investiert wird. EY untersuchte daher auch die Forschungs- und Entwicklungsintensität, also den prozentualen Anteil dieser Mittel am Umsatz der Unternehmen. Aus den weltweit steigenden Prozentzahlen lässt sich ablesen, dass die meisten Firmen bei steigenden Umsätzen, wie es 2023 der Fall war, bei ihren F&E-Budgets noch zulegten, denn weltweit stieg der Durchschnitt von glatt sieben auf 7,4 Prozent.

In dieser Kategorie findet sich Deutschland nur im Mittelfeld – die Spitzenposition hat Kanada vor den USA. Bemerkenswert auch, dass Gewinnsteigerungen im Gegensatz zum Zuwachs an Umsatz keineswegs die Regel waren, denn 2023 erwies sich als schwieriges Geschäftsjahr. Eigentlich eine Verlockung, die nicht unmittelbar gewinnträchtigen Felder wie F&E schrumpfen zu lassen – aber das passierte nicht.

Trotz vielleicht zufriedenstellender Zahlen sieht die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY Handlungsbedarf, soll der Vorsprung der USA nicht noch ausgedehnter werden. Da wäre die Politik gefragt, die zum Beispiel Investitionen in zukunftsträchtige Forschung steuerlich attraktiver gestalten könnte – EY schlägt etwa beschleunigte Abschreibungsmöglichkeiten solcher Investments vor. Angesichts hoher Steuersätze in Deutschland würde sich dies sicherlich als Anreiz auswirken, noch mehr für die zukünftigen Technologien zu tun und das wäre damit “ein attraktives Instrument der Wachstumsförderung”, so Henrik Ahlers. „Die F&E-Investitionen von heute sind die Innovationen von morgen und die Gewinne von übermorgen”. So ließ sich bereits bei der aktuellen Untersuchung belegen, dass die Gewinnmargen jener Unternehmen, die traditionell viel in die Forschung stecken, höher ausfallen als bei denjenigen, die das nicht tun. Folgerichtig strebt auch die Bundesregierung einen Anteil von F&E am Bruttoinlandsprodukt von 3,5 Prozent an – diese Zahl liegt allerdings beharrlich und schon länger nur bei etwas über drei Prozent. 

Um dieses Ziel dennoch zu erreichen, müssten sich neben steuerlichen Anreizen mindestens zwei große Problemfelder bessern: Zum einen, so sieht es die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), der Mangel an Fachleuten. Noch immer gibt es hier kein Zeichen einer Entspannung. Und damit zusammenhängend, aber nicht allein, das Ausweichen deutscher Firmen ins Ausland, wenn es um Zukunftsforschung geht. So manches wirkt dort offenbar einladender – sei es weniger Bürokratie oder eine höhere Attraktivität für internationale Fachleute, deren Gehalt von weniger Abgaben belastet wird als hierzulande. Wirtschaftsforscher notierten bereits 2022 eine zunehmende Auslandsaktivität in diesem Bereich, zum Teil durch Verlagerung, zum Teil durch Übernahmen. Zwar werden die Zahlen zu F&E unter dem Strich immer noch dem jeweiligen deutschen Mutterkonzern zugerechnet, sie entstehen aber womöglich auf anderen Kontinenten. Beispiel VW: Der Konzern eröffnete ein neues milliardenteures Entwicklungszentrum der Superlative in China. Rund 3000 qualifizierte Leute arbeiten da.

Es mag für die künftigen Produkte und Märkte deutscher Unternehmen unumgänglich sein, dort zu forschen, wo auch spezieller und landestypischer Bedarf an den Produkten besteht. Manche von diesen sind eben regional völlig anders nachgefragt, was man in der Technologieentwicklung direkt vor Ort berücksichtigen kann und will, Stichwort: Nähe zum Kunden. Da geht es um kulturelle und gesellschaftliche Traditionen, die beachtet werden wollen. Dennoch dürfte es auch für die deutsche Politik wichtiger werden, wie die DIHK es tut, Zahlen zu den Inlands- und Auslands-Ausgaben des unternehmerischen Forschungssektors jeweils im Auge zu behalten. Und vor allem: Schlüsse daraus zu ziehen.

Veranstalter des Ludwig-Erhard-Gipfels ist die WEIMER MEDIA GROUP (WMG). Co-Veranstalter des ersten Konferenztages: „Die Bayerische Wirtschaft“ (vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. & bayme vbm).

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