Innovation & Future Der EU AI Act: Amerika erfindet, Asien produziert, die EU verbietet

Der EU AI Act: Amerika erfindet, Asien produziert, die EU verbietet

Gastbeitrag von Maximilian Vogel von Big Picture.

Hoppla, der EU AI Act ist da! Was das ist? Das neue Gesetz, das auf über 100 Seiten festlegt, was man in der EU mit künstlicher Intelligenz darf und was nicht. 

Im März hat das EU Parlament es verabschiedet, in den nächsten zwei Jahren tritt das Gesetz schrittweise in Kraft. Parallel dazu werden Überwachungsbehörden hochgezogen. Auf EU-Ebene ein sogenanntes AI Office und nationale KI-Ämter in jedem Staat. Bei Verstößen gegen das Gesetz winken drakonische Strafen. Bis zu 7% eines Jahresumsatzes können fällig werden. Bei größeren Unternehmen kann das in die Milliarden gehen. 

Die gute Nachricht zuerst: Die EU- Verantwortlichen haben sich für einen risikobasierten Ansatz entschieden. Einige wenige Praktiken haben sie verboten – und das meist zu Recht wie zum Beispiel KI-basierte Manipulationssoftware. Daneben gibt es Anwendungsbereiche, die als hochriskant angesehen werden – etwa KI in der Steuerung von Maschinen. Hier machen die Behörden umfangreiche Vorgaben zu Paperwork, Genehmigungen und Zertifizierungen. In Bereichen, die als wenig riskant angesehen werden, sind die Auflagen ziemlich mild. Auch die Ausnahmeregelungen für Open Source und Startups gehen in die richtige Richtung.

Schon seit 2021 baut die EU an diesem Gesetz. Dann passiert etwas Blödes: OpenAI launcht Ende 2022 ChatGPT. Und der ganze fein abgestimmten Entwurf wird Makulatur. Denn generative KI berücksichtigt der Act überhaupt nicht. 

Anfang dieses Jahres versuchen die EU-Oberen daher, das Gesetz noch schnell in Richtung dieser sogenannten Foundation Modelle zu bürsten. Klar ist, dass kaum einer der Entscheider noch versteht, was er da flink absegnen soll. Das zeigt sich auch im Ergebnis: Man hat versucht, den risikobasierten Ansatz auf die Modelle generativer KI zu übertragen. Das scheitert. Generative KI zeichnet sich durch eine hohe Versatilität aus: Mit ChatGPT kann man Gedichte schreiben, täuschend echte Fake News generieren oder sich Anleitungen zum Bombenbau geben lassen. Jedes Modell ist also harmlos und gefährlich zugleich.

Und hier zeigt sich der erste Epic Fail der Regulierungsbemühung: Der Gesetzesentwurf der EU war bereits wenige Monate nach Abfassung überholt. Große Teile müssen neu geschrieben werden, selbst die Definition von KI hat sich völlig verändert. Und leider, leider: Das wird weiter so laufen. Denn Fortschritt steht nicht still. Anstatt komplexe Vorgaben für eine sich ständig weiterentwickelnde KI zu machen, wäre hier ein flexibler Ansatz intelligenter. Wenige, aber wichtige Prinzipien wie der z.B. Transparenz, Erklärbarkeit oder Robustheit. Übrigens: Ein state-of-the-art-Sprachmodell hätte das wahrscheinlich gewusst und bei der Abfassung des Gesetzentwurfes helfen können.

Der zweite epische Fail betrifft die extreme Schlagseite des Gesetzes. Für europäische KI-Entwickler macht das Gesetz vielleicht nicht alles komplizierter, aber vieles. Umgekehrt wird durch den AI Act nichts einfacher oder rechtlich sicherer. Wir hauen unseren KI-Entwicklern also die Beine weg und freuen uns, dass wir das als erste hinbekommen haben. 

Auch der französische Präsident, Emmanuel Macron kritisiert das: “Wir können viel schneller und stärker regulieren als unsere großen Konkurrenten. Aber wir werden Dinge regulieren, die wir nicht mehr produzieren oder erfinden werden. Das ist keine gute Idee.” 

Kurzum: Wir handeln genauso, wie der Rest der Welt es spöttisch von Europa erwartet: Amerika erfindet, Asien produziert, die EU verbietet. 

Dabei liegt das größte Risiko für Europa – nicht bei den Gefahren, vor denen uns die EU schützen will: Dass Unternehmen oder Behörden uns mit KI bespitzeln, täuschen, manipulieren oder unser Leben gefährden. Das eigentliche Risiko ist, dass Europa in einem weiteren digitalen Feld vollständig abgehängt wird. Dass wir KI wie Mobiltelefone, Chips, Rechner, Standard-Software oder Cloud Hosting ausschließlich von amerikanischen und asiatischen Unternehmen beziehen. Weil wir es selbst nicht mehr können. Schlicht: dass wir unsere digitale Souveränität verlieren. 

Ist doch egal, könnte man denken. Bei Erdgas und anderen Rohstoffen sind wir ja auch abhängig. Jenseits des politischen Risikos als technologisch rückständiger Kontinent nicht mehr ernst genommen und erpressbar zu werden, hat diese Abhängigkeit aber auch andere Auswirkungen: Wir fallen wirtschaftlich zurück.

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