Productivity & New Work Miele und jetzt auch noch Bosch: Deutsche Vorzeigeunternehmen schlingern

Miele und jetzt auch noch Bosch: Deutsche Vorzeigeunternehmen schlingern

Bosch, präsent vor allem als Autozulieferer, macht einen schmerzhaften Wandel durch – wie so viele Konzerne und Mittelständler in Deutschland. Bei den Stuttgartern trifft es allerdings verschiedene Sparten auf einmal, Stellen verschwinden. Die Gewerkschaft erkennt „ihr“ Unternehmen nicht wieder.

Nach der Traditionsmarke Miele, deren Chefs Anfang des Jahres einen Teilumzug nach Polen aus Kostengründen ankündigten, sind es jetzt die Geschirrspülmaschinen und Haushaltsgeräte einer anderen klangvollen deutschen Marke, die nicht mehr bringen, was sie sollen: Die Bosch Siemens Hausgeräte (BSH), trotz des Namens seit bald zehn Jahren eine reine Bosch-Tochter, schrumpft im ersten Quartal des Jahres ungebremst weiter. Ein Minus beim Umsatz von vier Prozent steht in den Büchern. Gegensteuern will das Unternehmen, zu dem auch neben der Traditionsmarke Bosch auch zum Beispiel Neff, Siemens und Gaggenau gehören, durch Personalabbau. Weltweit mehr als 3000, im Inland immer noch 450 Arbeitsplätze werden gestrichen. Die Nachfrage der Verbraucher, durch Inflation und Immobilienkrise vorsichtig geworden, ist mau. Eine Zitterpartie für die rund um den Globus 60.000 Beschäftigten, auch wenn BSH-Chef Matthias Metz versichert: „Wir haben einen klaren Zukunftsplan”. Ähnlich wie unlängst bei Miele stehen die Zeichen in diesem April allerdings auf Sturm. Es ist konzernweit allerdings ein vergleichsweise kleineres Unwetter.

Denn das Unheil, das über dem bald 140jährigen Konzern schwebt, bedroht vor allem die größte Sparte der Robert Bosch GmbH. Unter dem neuen Namen „Mobility” vereinigt Bosch dort die Automobiltechnik mit IT.  Die Sparte brachte 2023 gut 61 Prozent des Gesamtumsatzes ein. Im Gegensatz zu den Hausgeräten und Werkzeugen für den Endverbraucher (DIY-Sparte) muss sich der Autozulieferer mit einer Vielzahl von Veränderungen gleichzeitig herumschlagen. Das vergangene Jahr sei schwieriger gewesen als erwartet, konstatierte Bosch-Chef Stefan Hartung bereits bei Vorlage der Bilanzzahlen im Februar. Schlüssel zum zukünftigen Erfolg seien die Klimaschutz-Technologien – allerdings scheint die Nachfrage derzeit weltweit nachzulassen, was für die aufwendige Technik mit hohem Investitionsbedarf keine gute Nachricht ist. Mitverantwortlich, so Hartung: Die Sprunghaftigkeit bei den Rahmenbedigungen, wie etwa in Deutschland der überraschenden Abschaffung der E-Auto-Kaufprämien. Bosch sieht eine schwer kalkulierbare Entwicklung bei den langfristigen Kaufentscheidungen der Verbraucher; Gift für ein Unternehmen, das teure und zielgerichtete Innovation betreibt. „In allen für uns wichtigen Branchen sind die Aussichten verhalten”, warnte Bosch bereits vor dem Verlauf des Jahres 2024, in dem eine Trendwende nicht zu erwarten sei. Allenfalls zwei Prozent Wachstum trauen die international tätigen Stuttgarter der Weltwirtschaft in diesem Jahr zu, erst 2025 hofft Bosch auf Besserung.

Zahlreiche Probleme allerdings scheinen hartnäckiger zu sein, als man es bei Bosch gern sähe. Die Vokabel „Anpassungsbedarf” wird offenbar eine Konstante der nächsten Zeit. Darunter versteht Bosch in Hinblick auf die zuletzt stabilen Mitarbeiterzahlen keine betriebsbedingten Kündigungen, die man vertraglich bis 2027 ausgeschlossen hat. Allerdings müssen sich viele unter den knapp 134.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland auf unruhige Zeiten einstellen. In Deutschland allein stehen voraussichtlich 3700 Jobs zur Disposition. Bosch will durch Qualifizierungsmaßnahmen erreichen, Beschäftigte aus schwächeren Sparten in die stärkeren Bereiche zu übernehmen. Im Autozuliefergeschäft, so kann man es Bosch-Verlautbarungen entnehmen, reicht dies offenbar nicht aus: In Sachen „Anpassungsbedarf”, sprich Arbeitsplatzabbau, spricht man hier bereits mit den Arbeitnehmervertretungen. Hintergrund: Die tiefgreifenden Änderungen im Fokus der Autohersteller sorgen für komplett andere, teils neue Anforderungen an die Zulieferer. Bei Bosch soll der Bereich „Autonomes Fahren“ mit seinen Produkten Steuerungstechnik und Software besonders betroffen sein. Bosch investiert gleichzeitig im außereuropäischen Ausland, und selbst wenn die Geschäftsführung derlei Zusammenhänge nicht hören mag – der Trend geht branchenweit in Richtung Verlagerung aus Europa. 

Dabei hatte Bosch als Elektronikzulieferer hierzulande lange besonders gut Karten. Angefangen einst beim berühmten ABS-Bremssystem, gelangen den Stuttgartern immer wieder Innovationen, die sich branchenweit als Standards etablierten. Heute arbeitet Bosch an Eigenentwicklungen bei Computerchips, die ebenfalls Standards werden sollen. Die speziellen SiC-Chips (Silizium-Karbid-Chips) auf Basis eigener Produktionstechnik sollen ab 2026 den Markt erreichen. Zuletzt übernahm Bosch ein Chipwerk in den USA, wo die Rahmenbedingungen durch die amerikanische Gesetzgebung, etwa das Investitionsförderprogramm Inflation Reduction Act (IRA), günstig sind. Ausgerichtet sind die teuren Innovationen auf eine Welt, in der Elektromobilität zum Alltag gehören wird. Ob dieser Plan so aufgehen wird, könnte durchaus noch einmal fraglich werden.

Von daher ist es kaum verwunderlich, dass Bosch die derzeitige Entwicklung mit Sorge betrachtet. Vor allem die rasant steigenden Zahlen chinesischer Exporte auf dem E-Auto-Sektor machen den Stuttgartern zu schaffen, obwohl Bosch selbst in China vertreten ist. Allein 2023 allerdings verzeichneten die chinesischen Autohersteller hier ein Plus von 60 Prozent und stellten damit manche Preiskalkulation europäischer Konkurrenten auf den Kopf. Hauptleidtragender aufgrund seiner schieren Größe dabei: VW. Kaum verwunderlich, dass angesichts der weitgehend standardisierten Elektrotechnik der chinesischen Marken, allen voran BYD, starke Kostenvorteile auf seiten der Asiaten zu verbuchen sind. Den so entstehenden Preisdruck geben die deutschen Hersteller an ihre Zulieferer weiter, die ihrerseits nach Stellschrauben suchen, ihre Kosten zu verringern. Sei es durch Stellenabbau, sei es durch Druck wiederum auf die eigenen Lieferanten, oder Firmenübernahmen im außereuropäischen Ausland, wo existierende Unternehmen bereits günstiger produzieren.

Insgesamt wird die Luft zunehmend dünner zwischen Zulieferern und Abnehmerindustrie. Und der Ton rauher. Die Autokonzerne erzielen insgesamt weiter auskömmliche Margen, vor allem durch die Konzentration auf den Verkauf höherwertiger Autos – bei den Zulieferern kommen dagegen Kostendruck und harsche Lieferanforderungen an. Man prodziert im Einzelfall gerade noch kostendeckend, ist seitens des Branchenverbands CLEPA zu hören. Was früher im diskreten Gespräch untereinander geregelt worden sei, werde nun zunehmend in der Öffentlichkeit diskutiert, etwa wenn – wie unlängst bei BMW – Rückrufe im großen Stil wegen Problemen mit elektronischen Bremssystemen von Continental ins Haus stehen. Über die Kosten von bis zu 400 Millionen Euro darf dann gestritten werden. Bosch selbst liege derzeit im Clinch wegen Lieferproblemen mit Mercedes, berichtete das „Handelsblatt” Anfang April. Die lachenden Dritten sind schnell ausgemacht – chinesische Hersteller, deren Strukturen staatlich reglementiert sind und von Peking ohne Widerspruchsmöglichkeit durchgesetzt werden.

Bei Bosch, gegründet von Robert Bosch 1886, galt der stetige Aufschwung seit Jahrzehnten als Ehrensache. Schließlich gehört Bosch zu mehr als neunzig Prozent der am Gemeinwohl orientierten Robert-Bosch-Stiftung. Ihrerseits an diverse Wohltaten gewöhnte Bosch-Leute kannten die heute umlaufenden Vokabeln oft nur vom Hörensagen – Stellenabbau, Kurzarbeit, Leistungsverdichtung. Das alles sieht die IG Metall nun am Horizont. Die Gewerkschafter und Betriebsräte scheinen ihr Unternehmen nicht wiederzuerkennen, einen „Kulturbruch” konstatiert ein Arbeitnehmervertreter angesichts der Pläne, Stellen abzubauen und umzusetzen – selbst wenn dies „sozialverträglich” abgefedert werde. Und die Zumutungen erreichen durchaus auch die Spitzen-Fachleute in den Forschungs- und Entwicklungsbereichen, deren Arbeitszeiten – und damit auch Einkommen – reduziert werden könnten.

Die Branchenkenner von CLEPA sehen es noch düsterer. Den seit 2018 bereits verschwundenen Arbeitsplätzen, etwa 60.000, würden noch viele weitere folgen. Denn es sei keineswegs ausgemacht, dass die neuen Produkte, also jene im Rahmen der Elektromobilität, mit ihren Anforderungen an Personal den Wegfall der Jobs, die am Verbrenner hängen, ausgleichen könnten. Der Markt, so Oliver Simon, Mitglied im Bosch-Gesamtbetriebsrat, gebe dies einfach nicht her. Firmengründer Robert Bosch konstatierte einst, eher verzichte er auf Geld, als auf das Vertrauen der Kunden. Beides könnte im Ernstfall nun ins Haus stehen.

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