Life & Style Ausgerechnet die fossilen Energiekonzerne gestalten die Energiewende

Ausgerechnet die fossilen Energiekonzerne gestalten die Energiewende

Den Solarkonzern Meyer Burger zieht es aus Deutschland in die USA, wo Subventionen reichlicher fließen. Der Konzern ist nur ein Beispiel unter vielen: Solar- und Windkrafthersteller machen hierzulande reihenweise dicht. Gegen den Trend stemmen sich ausgerechnet jene, die an sich für fossile Energie stehen: Shell und Co. investieren in nachhaltige Energiesysteme in Deutschland.

Der Solarkonzern Meyer Burger hat seine Produktion in Freiberg (Sachsen) eingestellt. Endgültig. Er schiebt die Verantwortung dafür dem Staat zu ab, der Subventionszusagen nicht eingehalte habe.  500 Leute sind betroffen, 400 von ihnen erhielten die Kündigung. Für 100 Mitarbeiter könnte es glimpflich ausgehen, sie haben Angebote in anderen Konzerneinheiten erhalten. 

Da Meyer Burger, beheimatet im schweizerischen Baar, in Deutschland keine Zusage für staatliche Unterstützung erhielt, wurde aus dem vorübergehenden Stillstand in den Werkshallen der endgültige. Noch bis vor kurzem hatte der Solarhersteller um den sogenannten Resilienzbonus gepokert, eine Subvention, die die heimische Branche vor außereuropäischer Konkurrenz schützen sollte. Denn die gibt es reichlich, nicht nur in China – auch die USA locken mit Goodies. Dahin zieht es nun die Schweizer. Zuletzt hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner deren Hoffnungen zunichte gemacht: Der Resilienzbonus wird nicht kommen, trotz früherer Ankündigungen durch Wirtschaftsminister Robert Habeck. Damit sind nun auch andere Unternehmen der Solarbranche in Deutschland gefährdet – soweit  sie nicht schon verschwunden sind wie einst klangvolle Namen börsennotierter Sonnenenergie-Unternehmen. 

Was Meyer Burger anbelangt, so glänzte der Konzern lange mit der Herstellung von Spezialwerkzeugen wie Säge- und Trenngeräte für die Chipindustrie und später die Solarhersteller. Der Schritt vom Spezialisten zum Photovoltaikkonzern – das Werkzeuggeschäft wurde 2019 verkauft – konnte die lange Verluststrecke von Meyer Burger nicht wenden, im Gegenteil. Die Aktie ist zum Pennystock verkommen. Nun sucht man sein Heil in den USA, wo die Bedingungen für die Solarbranche vorerst besser erscheinen. Dank Subventionsgesetzgebung, aber auch aufgrund niedrigerer Energiepreise. Und dann ist da natürlich das Tempo des Genehmigungsverfahrens in Colorado – zehn Wochen dauerte es am Fuß der Rocky Mountains, alles unterschriftsreif zu machen. 

Denn sowohl die Unterstützungsprogramme wie das Investorengesetz Inflation Reduction Act von Präsident Joe Biden als auch einzelstaatliche Hilfszusagen locken Unternehmen aus aller Welt. Meyer Burger produziert bereits in Arizona und will nun in Colorado durchstarten – wenn denn die Finanzierung gelingt. Der Konzern wird dorthin seine Maschinen und Technologien aus Sachsen-Anhalt verpflanzen. Er wurde bereits von Joe Biden persönlich lobend erwähnt als Teil des geplanten Solar-Wertschöpfungs-Bollwerks gegen China. 

In Deutschland hat die jüngste Entwicklung, die weitere Opfer fordern dürfte, zu Streit zwischen FDP und Grünen geführt, vor allem in Sachsen. Der Freistaat wäre besonders betroffen, denn nach der Solarworld-Pleite 2017 war Meyer Burger seit 2019 dort die neue Hoffnung. Zusammen mit Thüringen und Sachsen-Anhalt ist Sachsen ein Zentrum der industriellen Solarfertigung, rund 15.000 Beschäftigte zählte die Industrie in den östlichen Ländern im vergangenen Jahr noch, mit den entsprechenden Auswirkungen auf das Schicksal von Zulieferern und anderen Wirtschaftszweigen. Der bereits überwiegend subventionsgetriebene Boom geht allerdings zu Ende, da trotz aller staatlichen Hilfen die chinesische Exportmacht nicht zu stoppen ist. 

Derweil verzeichnen Solar-Startups in Deutschland dagegen einen Boom. Beim Newcomer Enviria stieg Ende Februar Blackrock mit 200 Millionen Euro Kapital ein. Die gehypte Enpal hat sich eine breitere Basis geschaffen und verkauft oder vermietet sogar praktisch alles, was mit grüner Energie im weitesten Sinne zu tun hat – vom Solardach über die Wärmepumpe bis zur Ladetechnik. Raffiniert will es auch  1Komma5Grad anstellen, die mit grüner Energieversorgung deutscher Privatleute einen „Smart Grid” erzeugen möchte, wo mit Strom der Haushalte intelligent gehandelt werden kann. Rasantes Wachstum und Börsenpläne gibt es bei solchen Startups inklusive; ob der Hype anhalten kann, und die Zahlen stimmen, weiß keiner. Nach Aussage von Solarwatt, einem Hersteller aus Dresden, fertigt man in Deutschland und Europa trotz allem wirschaftlich. „Aber wegen unfairer Wettbewerbsbedingungen ist die produzierende Branche in Deutschland und Europa massiv existenzbedroht. Und da reden wir nicht von Jahren, sondern von Monaten”, sagte Solarwatt-Boss Detlef Neuhaus kürzlich dem „Handelsblatt”.

In der Windenergiebranche gibt es eine vergleichbare Entwicklung. Zahlreiche mittelständische Zulieferer der Windenergie machten im Laufe des letzten Jahres dicht. Wieder sind vor allem die östlichen Bundesländer betroffen. Und es vollzieht sich offenbar, was in anderen Technologiebereichen schon ein bekanntes Muster war, bekannt seit den Zeiten des Faxgerätes und der MP3-Technik: Hierzulande erfunden, irgendwo in Übersee schneller und billiger hergestellt. So klagen Unternehmen auch über schier endlose Genehmigungszeiten. Iqron, Zimm oder Eickhoff in Sachsen – kaum bekannte Namen, aber ihr Verschwinden kostete Knowhow und Arbeitsplätze. Kaum vergleichbar natürlich mit Riesen wie dem dänischen Windpark-Giganten Ørstedt, Weltmarktführer beim Bau von Windparks mit Ablegern in Deutschland. Auch er steckt tief in den roten Zahlen. Wegen aus dem Ruder laufender Kosten und Lieferkettenproblemen stornierte der dänische Konzern Offshore-Projekte in den USA und fuhr Ørsted in den ersten neun Monaten 2023 einen Verlust von umgerechnet rund 2,7 Milliarden Euro ein. Und auch der deutsche Riese Siemens Energy macht oft mit unerfreulichen Zahlen und Zielanpassungen von sich reden. Die Großen der Windindustrie glänzten in letzter Zeit mit Absagen gewaltiger Investitionen. Man hatte knapp kalkuliert, und die allgemeine Inflation wie auch die besonderen Preissteigerungen beim Material für Offshore- wie auch Onshore-Windparks machten die Berechnungen zu Makulatur. Vor allem, wenn bereits feste Stromlieferpreise zugesagt waren, die sich angesichts der Kosten niemals würden erwirtschaften lassen. 

Momentan erweisen sich lediglich die oft gescholtenen Ölriesen als Retter in der Not. BP oder Total Energies, aber auch Shell investieren in Wind&Co. Sie haben einen sehr langen Atem, weil sie noch immer glänzend mit ihrem Öl- und Gasgeschäft verdienen. Das kann der deutsche Mittelstand, egal wie innovativ, nicht toppen. Allein Shell hat in den vergangenen Jahren gemeinsam mit Partnern vor Ort den Offshore-Markt weltweit vorangebracht. In Europa gehören dazu Großprojekte vor den Küsten Norwegens, Schottlands, Irlands und der Niederlande. Sonja Müller-Dib, Vorsitzende der Geschäftsführung von Shell Energy Deutschland hat jetzt aber auch den hiesigen Markt im Blick: „Die Voraussetzungen für den Windausbau und damit eine sicherere und zuverlässige Energieversorgung sind gut: Deutschland ist einer der größten Produzenten von Offshore-Windenergie in Europa. Diese Basis gilt es jetzt konsequent auszubauen.“

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