Innovation & Future Alles auf Quante

Alles auf Quante

Quantencomputer sind der heiße Scheiß. Wirklich? Ja, in Siegen gelingt gerade der Durchbruch. Sie werden unser Leben verändern. Jetzt hat es auch die Politik mitbekommen.

Wollen wir wetten? Frage: Welche Technologie setzt sich in den nächsten zehn Jahren durch: Wasserstoff-Antrieb, Fusionsenergie oder Quantencomputing? Wasserstoff ist der Energiedrink, der Motoren und Heizungen auf Touren bringt, bisher leider bloß beinahe mehr Energie beim Anrühren verbraucht, als er dann abgibt. Fusionsenergie wird bei der thermonuklearen Kernfusion gewonnen und kann zur Stromerzeugung genutzt werden – alles klar? Nicht? Macht nichts. Ein abgedroschener Witz in der Community besagt, dass der erste Fusionsreaktor immer 30 Jahre entfernt ist. Bleibt das Quantencomputing. „Wir haben die ersten zwei Maschinen verkauft“, sagt Jan Leisse, Chef von eleQtron aus Siegen. Und jetzt hat er – Nachricht von heute – auch noch eine Kooperation mit dem Supercomputer-Zentrum JSC des Forschungszentrums Jülich eingefädelt. Gemeinsam wollen sie den Supercomputer bauen. Nächste Woche will sogar der NRW-Ministerpräsident mal vorbeischauen. Also: Alles auf Quante?

Ich frage Jan Leisse. Er war mal Familienchef eines dieser deutschen versteckten Weltmarktführer aus dem Siegerland, der Albrecht Bäumer-Gruppe, die Maschinen fürs Schneiden von Schaumstoff herstellt. Dann stellte der Familienunternehmer einen Manager ein, der nicht Familienmitglied war, hatte damit Zeit gewonnen, schaute sich um und stieß auf Christof Wunderlich und Michael Johanning. Michael ist begnadeter Physiker, der in den USA Forscherschweiß bei Physiknobelpreisträger William – genannt Bill – Phillips eingesogen hatte. Bill holte sich 1997 die Medaille für das Kühlen und Einfangen von Atomen mit Laserlicht. Schüler Michael macht das jetzt auch, und zwar zusammen mit Jan und knapp 50 anderen, die vorwiegend in Siegen sitzen, wo gerade die Zukunft auf den Punkt gekühlt wird.

eleQtron entwickelt und betreibt Quantencomputer. Die Rechenmaschinen sind so etwas wie Konrad Zuses Urenkel und sollen Probleme lösen, an denen auch die aktuelle Generation von Supercomputern scheitert. Ein Quantum ist die kleinstmögliche Einheit, so klein, dass sie nicht teilbar ist. Der passende Computer besteht aus Lasern und Antennen, die auf eine Dose in der Mitte zielen, die im Wesentlichen leer ist bis auf ein paar Ionen, die sich in der fast leeren Dose steuern und zum Rechnen animieren lassen – ein einzigartiges Konzept, das sie in Siegen „MAGIC“ nennen, was für Magnetic Gradient Induced Coupling steht und wahrscheinlich eine Marketing-Idee von Michael ist.

 „Deutschland ist in der Grundlagenforschung ganz vorne dabei“, sagt Michael. Bloß, wenn es dann raus aus dem Elfenbeinturm geht, fallen die einen auf die Nase und die anderen wandern aus in die USA. Michael aber traf Jan und der sorgte dafür, dass das Fördergeld, das nur fließt, wenn auch eine private Co-Finanzierung steht, auch bei eleQtron ankam. Mit Earlybird haben die Siegener inzwischen einen potenten Investor für Startups in der Frühphase gewonnen. Und jetzt kommt Jülich dazu.

Was ein Quantencomputer zu seinen herausragenden Rechenleistungen befähigt, ist eine Eigenschaft, die jeder gerne hätte: Die kleinen Quanten-Lauseteile können an zwei Orten gleichzeitig sein. Michael versucht zu erklären: Ich soll mir sie nicht als Teile, sondern eher als Welle vorstellen, die ja auch mal zwei Strandbuchten gleichzeitig überspülen könne. Parallele Berechnungen machen sie damit unvergleichlich schnell. Und ändert unser Leben.

Die Qubits können helfen, individuelle Medikamente für jeden einzelnen zu entwickeln. Die Miniteilchen stellen die Kryptographie, jedenfalls so wie wir sie kennen, auf den Kopf, weil sie in der Lage sind, alles unendlich kompliziert zu verschlüsseln, aber eben auch wieder zu entschlüsseln. Das Experten -Team um Jan und Michael baut die Hardware dazu, und die ersten zwei Maschinen sind bereits an das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt verkauft. „Deep Tech in Deutschland muss vorangetrieben werden“, sagt Michael, der Physiker. „Wir wollen das nicht nur erforschen, sondern wollen, dass auch die Industrie hier entsteht, sagt Jan, der Kaufmann. 

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