Life & Style Warum mein Fahrradhändler um die Ecke jetzt einen Anwalt braucht

Warum mein Fahrradhändler um die Ecke jetzt einen Anwalt braucht

Die Stiftung Familienunternehmen und Politik hat passend zur finalen Abstimmung in der EU unter ihren Mitgliedsunternehmen nach deren Haltung zum Gesetz gefragt. Das Ergebnis ist eindeutig. Auch kleine Unternehmen sind betroffen, stellt die Stiftung in ihrer aktuellen Analyse fest. „Selbst der Fahrradhändler um die Ecke, der zum Beispiel die Werksfahrräder eines größeren Unternehmens repariert, sieht sich plötzlich mit Fragebögen und Formularen des Kunden konfrontiert.“ Darin müsse er rechtlich verbindliche Auskünfte geben, was wiederum ohne Rechtsberatung kaum möglich ist. „Überbürokratisierung“ nennt die unternehmensnahe Stiftung das. Ihr größter Kritikpunkt: Die Lieferanten aus der EU werden nicht generell ausgenommen. Dabei ist die EU schon jetzt einer der am stärksten kontrollierten Binnenmärkte der Welt.  

Was beim Fahrradhändler schon zu mehr Bürokratie führt, summiert sich beim Konzern zum happigen neuen Kostenblock. Die Stiftung berichtet, ohne Namen zu nennen, von einem international tätigen Familienunternehmen aus Deutschland, das 20.000 Lieferanten weltweit hat. Die Kosten für die Einführung des Lieferkettengesetzes beliefen sich dort auf 2 Millionen Euro. Neue IT-Systeme wurden bereits aufgesetzt, externe Berater engagiert: Bei der Überprüfung der 20.000 Lieferanten fand sich allerdings keiner, der den neuen EU-Ansprüchen nicht genügte. Der Grund: Die meisten Unternehmen haben sich bereits zur Einhaltung der UN-Menschenrechtsstandards bekannt und achten beim Einkauf heute schon genau auf die Wahl der Zulieferer. Außerdem wird in der Debatte oft übersehen: Heute schon gibt es viele Brancheninitiativen etwa im Textilbereich, die Standards vorschreiben. Das geplante EU-Lieferkettengesetz erkennt diese Brancheninitiativen aber nicht an. Ein anderes großes Familienunternehmen mit 40.000 Lieferanten weltweit hat den Aufwand für das Lieferkettengesetz in Arbeitsstunden berechnet. Für die Umsetzung der Sorgfaltspflichten bei den Zulieferern muss das Unternehmen etwa 27.000 Stunden pro Jahr einsetzen. Das Gesetz führe „bei kleinen und großen Unternehmen zu unkalkulierbaren Rechts- und Haftungsrisiken und einem Bürokratie-Tsunami“, klagt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Es müsse überarbeitet werden.

Allerdings käme eine solche Überarbeitung für einige Konzerne zu spät. Nicht nur bei Dallmayr ist der Entschluss gefallen, sich vor allem in einigen afrikanischen Ländern nicht mehr zu engagieren. Auch Österreichs größter Baukonzern Strabag zieht sich aus Afrika zurück. „Wir bauen nur noch die angefangenen Projekte fertig“, bekannte Jörg Wellmeyer, Geschäftsführer der Strabag International gegenüber der FAZ. „Um neue Ausschreibungen in Afrika bewerben wir uns nicht mehr.“  Wellmeyer verweist wie Dengler auf Belastungen, die sich aus dem Lieferkettengesetz ergeben. „Für ein Projekt mit zwei Jahren Bauzeit brauchen wir etwa tausend Produkte: Ersatzteile, Baumaterialien – alles von unterschiedlichsten Lieferanten.“ Dafür müsse das Unternehmen sämtliche unmittelbaren lokalen Zulieferer kontrollieren – was nicht zu schaffen sei.

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