Green & Sustainability »Russian warship, go fuck yourself«

»Russian warship, go fuck yourself«

Der Satz, den der ukrainische Soldat Roman Gribow, am 24. Februar 2022 dem Kapitän eines russischen Kriegsschiffs entgegenschleuderte, als dieses an der ukrainischen Schlangeninsel anlegen wollte, ist legendär. Er steht für das Selbstbewusstsein und den Stolz der ukrainischen Soldaten. Für den Künstler Emeric Lhuisset war er Anlass, mit ukrainischen Soldaten ein Ölgemälde aus dem 19. Jahrhundert nachzustellen. Das Bild gehört zum kulturellen Erbe des Landes und hängt heute in Russland – wie viele Kunstschätze der Ukraine

Interview Axel Novak

Ihr Foto „Aus weiter Ferne höre ich die Antwort der Kosaken“ ist in der Ukraine zur Ikone geworden. Wie haben Sie das gemacht? 

Lhuisset: Ich habe ja schon einige Male solche Gegenüberstellungen gemacht, vor mehr als zehn Jahren hab ich kurdische Soldaten und Soldatinnen Szenen aus dem Kampf nachstellen lassen. „Théâtre de la guerre“ („Kriegstheater“) hieß die Serie, die viele Menschen sehr beeindruckt hat. Daher lag mir die Herangehensweise auch beim Bild in der Ukraine nahe.

Wie sind Sie denn auf das Gemälde des Künstlers Ilja Repin ­gekommen, der ja im Westen vor allem als ­russischer Maler gilt? 

Das Bild hat für die Ukraine eine große Bedeutung. Schon 2014 war es auf den Demonstrationen auf dem Maidan überall zu sehen. Anschließend schenkte mir ein Freund eine Kopie davon. Als sich am 25. Februar der Satz „Russian war­ship, go fuck yourself“ von Roman Gribow viral verbreitete, dachte ich sofort an die Kosaken, die dem Sultan geschrieben haben. Ich fand, es wäre super, diese Szene nachzustellen. 

Und was zeigt denn das Kunstwerk genau? 

Das ursprüngliche Gemälde heißt „Die Saporoger Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief“ und zeigt die Kosaken, wie sie dem Sultan des Osmanischen Reiches, der sie zur Unterwerfung aufgefordert hat, einen Brief schreiben. Dieser Brief ist eine großartige Auflistung von allen Arten von Beschimpfungen, die damals aktuell waren – deswegen passt das Bild perfekt zu Roman Gribows Ausruf. 

Aber ist Repin nicht Russe?

Der Künstler Ilja Repin ist Sohn ukrainischer Eltern, sprach Ukrainisch und hat zum kulturellen ukrainischen Selbstverständnis beigetragen – das ist im Westen jedoch nicht bekannt. Erstaunlicherweise gab es noch 2021 in Paris eine Ausstellung über Ilja Repin als „Maler der russischen Seele“. Das stand für den Anspruch Russlands, die Geschichte der Ukraine systematisch für sich zu beanspruchen, um die eigene Geschichte zu legitimieren. Diese Aneignung findet sich in ganz vielen Bereichen wieder. Das macht diesen Krieg so imperialistisch und kolonialistisch.

Wie gelang es Ihnen denn, das Bild nachzustellen? 

Es hat sehr lange gedauert, das zu realisieren. Anfangs ging ich davon aus, dass Roman Gribow tot ist. In der Zwischenzeit hab ich über die Beziehungen von Russland und der Ukraine recherchiert, vor allem mit Blick auf den Text Putins vom Juli 2021 über die Nichtgeschichte der Ukraine. Ende Juni 2022 hab ich dann in einer Lokalzeitung die Nachricht über die Einweihung eines kleinen Denkmals zu Ehren des Soldaten gelesen. Da hab ich beschlossen, das Projekt zu realisieren, und über die sozialen Medien Kontakt zu Roman Gribow aufgenommen. Das Shooting selber fand am 1. September 2023 am Ufer des Flusses Dnepr statt. Knapp 40 Soldaten von der 112. Brigade der Territorialverteidigung nahmen teil – und sie hatten wirklich Lust auf das Shooting. Für sie war das sehr wichtig.

Sie haben viele Jahre im Nahen Osten, in Syrien, der Türkei und in Afghanistan gearbeitet. Wie sind Sie nun auf die Ukraine gekommen?

Ich wollte herausfinden, was Geschichte auslöst und bestimmt, aber auch, wie Geschichte hinterher von wem und mit welcher Absicht erzählt wird. Mit den Demonstrationen 2013 in der Ukraine habe ich mich für das Land interessiert und festgestellt, dass die Berichterstattung in den prorussischen und in den westlichen Medien sehr unterschiedlich ist. Ich musste selber verstehen, was dort passiert. Im Februar 2014 kam ich daher in die Ukraine, da war gerade der Präsident geflohen, es gab keine Regierung, keine Polizei – es wirkte in dem Moment, als wäre alles möglich. Ich hab dann 100 Menschen porträtiert, die auf dem Maidan demonstrierten. Sie sollten gleichzeitig aufschreiben, was ihrer Meinung nach passiert und welche Hoffnungen sie damit verbinden. Mir ging es darum, die Propaganda der russischsprachigen Medien zu dekonstruieren und vor allem die Menschen sprechen zu lassen, die auf die Straße gehen. Ich habe dann später heimlich einige dieser Porträts im russisch besetzten Donezk verteilt – und dann miterlebt, wie die Menschen dort über die Porträts und die Aussagen der Demons­tranten diskutierten.

Was geschieht nun mit dem Bild? 

Ich hab einen Ausdruck in Originalauflösung an das Museum im ukrainischen Cherson geschenkt. Das Museum ist ja vollständig geplündert worden, als die Russen abgezogen sind. Jetzt ist mein Bild eines der ersten einer künftigen neuen Sammlung – und vielleicht für viele andere Künstler ein Anstoß, die Museen in der Ukraine mit eigenen Werken auszustatten. Im Mai wird das Foto außerdem in Budapest ausgestellt. 

Ungarn hat ja einen anderen Blick auf den Krieg in der Ukraine, die Reaktionen auf das Bild können da sicher sehr interessant werden. 

Oh ja! Die Arbeit geht auf jeden Fall weiter.

Nun ist das „Kosaken“-Bild kein Porträt, sondern die Nachstellung eines Gemäldes …

Beim Bild geht es darum, die ­Ukrainer sprechen zu lassen. Und es ging viral im Land, weil es die Position der ­Ukrainer gegenüber dem Kolonialismus der ­Russen zeigt. Das besondere an dem Bild ist, dass man es in einer hohen Auflösung realisierte. Im Original ist es 210 mal 340 Zentimeter groß – und es lassen sich die Schnurrbarthaare zählen.

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