Life & Style Mit spätestens 68 ist Schluss? Quatsch: „Menschen können länger arbeiten“

Mit spätestens 68 ist Schluss? Quatsch: „Menschen können länger arbeiten“

Annika Farin ist Chefin des weltweiten Beratungsunternehmen für Führungskräfte Amrop Partnership. Die Hamburgerin hält nichts von verordneten Ruheständen oder einem vorgeschriebenen Renteneintrittsalter, weil sie Arbeit für sinnstiftend hält. Die Idee der „Work-Live-Balance“ lehnt sie rundweg ab.

Das Gespräch führte Oliver Stock / Business Punk

Es gibt in vielen Berufen zu wenig Arbeitskräfte, und die demographische Entwicklung beschleunigt diesen Mangel. Was sollen wir tun, Frau Farin? 

Der Arbeitskräftemangel ist ein Aspekt, der uns in den westlichen Ländern sehr beschäftigt. Wir in Deutschland sind da die Klassiker: Wir merken überall, sowohl bei Fachkräften und jetzt auch im Top Management, dass uns die Luft ausgeht. 

Und was soll passieren?

Da ist es natürlich naheliegend, dass man sagt: Okay – wenn von unten nicht genügend nachwächst, könnten doch die, die älter sind, länger arbeiten. Ich will dem noch eine ethische Komponente hinzufügen: Ich glaube, dass Arbeit wirklich sinnstiftend ist. Keine Arbeit bedeutet nicht nur finanzielle Einbußen, sondern das geht oft auch mit dem Verlust sozialer Kontakte einher. Ich glaube, dass die Menschen heute mit 65 oder 70 Jahren anders drauf sind als in der Generation zuvor. Sie können auch länger arbeiten.

Das ist aber ja etwas völlig anderes als das, was die Politik, insbesondere die Sozialdemokratie seit 100 Jahren predigt, nämlich dass der Mensch ein Recht auf Ruhestand hat. Soll denn nie Schluss mit Arbeiten sein?

Warum soll irgendwann Schluss sein, wenn Menschen Arbeit als sinnstiftend empfinden? Ich meine, Menschen sollten über ihren Ruhestand individuell entscheiden können. Natürlich gibt es eine biologische Grenze, aber grundsätzlich müssen wir doch den Menschen zutrauen, solche Entscheidungen selbst zu treffen. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Mein Lebensgefährte ist Chirurg. Er hat mir ganz begeistert berichtet, dass sich eine ehemalige Krankenschwester gemeldet hat. Die ist 75 und hat gefragt, ob sie nicht einfach wieder arbeiten könne. Sie haben dann geprüft, ob es irgendwelche Einschränkungen gibt. Das war nicht der Fall. Sie ist super drauf und kommt jetzt einmal die Woche und hilft mit. Und sie ist happy. 

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